Juli, Winter in Neuseeland

 

Das Wetter wird nicht besser, im Gegenteil, eine Front jagt die nächste und weil ich täglich die Wetterkarten- und Berichte studiere, kann ich schon ganz gut abschätzen was so auf uns zu kommt. Seit Anfang Juli lassen sich die Sonnenstunden leicht zählen, ganze Tage ohne Regen sind eher die Ausnahme und mehrere Tage Dauerregen haben wir gerade hinter uns. Unter unserem Schiff hat sich ein richtiger See gebildet, der Boden nimmt einfach kein Wasser mehr auf. Den Weg zu den Toilettenanlagen tritt man mit Crocs ohne Socken an, denn dann kann das Wasser, welches man schöpft auch gleich wieder abrinnen. Unser Luftentfeuchter hat sich schon bezahlt gemacht, die 80% Luftfeuchtigkeit lassen sich so auf 65 reduzieren, jetzt sind Wände und Fenster deutlich trockener und der muffige Geruch, der sich schon beinahe eingeschlichen hätte, ist wieder verzogen. Trotzdem muss man auf der Hut sein, denn kaum ist ein Kasten zu dicht gefüllt, oder die Temperatur zu niedrig, beginnt alles feucht zu werden, Kleidung ist besonders gefährdet. Leichte Verzweiflung packt mich wenn unter den Tellern im Kasten oder an der Deckenverkleidung schon wieder der schwarze schimmlige Belag erscheint. Der lässt sich zwar leicht wegwischen, aber wenn ich ihn lassen würde, breitet er sich rasch aus und wer will schon Schimmel in seinem Wohnbereich.

Wir verbringen die Zeit mit lesen und recherchieren, die News überschlagen sich nicht, die Tage plätschern so dahin. Nach drei Wochen Funkstille hat unser Segelmacher endlich wieder auf ein Mail geantwortet, wir hatten schon Sorge die Firma hat sich in Luft aufgelöst. Nächster Termin an dem die Segel vielleicht die Türkei verlassen, sollte der 19.juli sein. Um uns bei Laune zu halten durften wir jetzt die Farbe des Sonnenschutzstreifens auswählen. Marineblau ist unsere Wahl, hoffentlich kommt dann nicht die Meldung, dass gerade diese Farbe nicht lagernd ist. Im Prinzip ist es jetzt fast schon egal, wir werden heuer Neuseeland nicht mehr unter Segel verlassen und bis September, da wollen wir uns um den Verkauf des Schiffes kümmern, werden wir dann hoffentlich die Segel anschlagen können. 

Unsere Pläne an Land sind eine Entschädigung für die verpatzte Segelsaison im Pazifik. Wandern in Neukaledonien und eine ausgiebige Tour mit dem Camper van in Neuseeland. Ich bereite mich auf Neukaledonien vor, Robert sucht nach einem passenden Camper van, da gibt es viel zu bedenken und viel Diskussion, trotzdem ist die Vorfreude groß. 

Am Wochenende endlich wieder einmal Sonnenschein, eine echte Wohltat und warm, so um die 18 Grad ist es auch. Da alle Wanderwege noch nass und gatschig sind, rüsten wir uns für eine Radrunde, Kamo, ein Ort der über einen Radweg gut zu erreichen ist, ist unsere Wahl. 

Der Start verzögert sich wegen Patschen (Platter) bei meinem Vorderrad. Robert legt einen neuen Schlauch ein, der alte hat neben dem Ventil einen Riss, der lässt sich nicht mehr flicken. Richtung Kamo geht es immer leicht bergauf, zurück kann man fast ohne treten rollen, insgesamt 20 Kilometer, eine gute erste Trainingsrunde. Um Kondition aufzubauen muss man sich regelmäßig und häufig bewegen, also Sonntag am besten auch gleich wieder raus, es ist bewölkt, aber kein Regen und auch kaum Wind. Sonntag beginnt nicht besser, schon wieder ein Patschen, diesmal hinten, richten, wieder aufpumpen und starten. Diesmal nehmen wir die andere Richtung, auf die andere Seite vom Fluss und entlang der Halbinsel auf der der Flughafen ist. Auch diese Strecke kennen wir von 2020. Zwischen den Mangroven radelt man auf einem netten Wanderweg, zurück nehmen wir dann die Straße, wobei ich schiebe, erneut keine Luft im Reifen und auch kein Klebezeug dabei. Robert radelt zurück und holt mich mit dem Auto ab, bei diesem lassen sich die Schiebetüren nicht öffnen. Aller guten Dinge sind drei, jetzt sollte die Pechsträhne wieder zu Ende sein. So geht uns die Arbeit nicht aus, morgen wird Radklebzeug  und ein neuer Schlauch besorgt, die Schiebetüren hat Robert noch Sonntag gerichtet, so was lässt ihm keine Ruhe. Montag und Dienstag streift uns die nächste Front, Regen und bis zu 80kmh Wind, Winter in Neuseeland. 

Man gewöhnt sich an alles, auch diese Front ist vorbei, wieder ein Tag im Schiff mit lesen verbracht, wieder ein See unterm Schiff, der Wind hat uns kräftig gebeutelt und immer wieder löst sich irgend eine Leine und das scheppert und schlägt dann unerträglich. Wer es länger aushält erspart sich das Rausgehen, Übeltäter suchen, Problem beheben und durchnässt wieder ins Schiff schlüpfen. Das Rennen ist ausgewogen. 

Nachdem alle Schläuche wieder geklebt sind entschließen wir uns dann doch für zwei neue Mäntel. Denn wenn man sich jeden kleinen Stein durchdrückt, werden wir nicht weit kommen und bei jeder Radtour picken ist kein Vergnügen. Die Rechnung scheint aufzugehen, schon zwei Radrunden ohne Patschen, wir nutzen jeden halbwegs trockenen Tag um uns zu bewegen und suchen weiter nach einem Camper.

Jetzt haben wir den Markt ganz gut im Überblick, zu manchen Autos hat man schon fast eine Beziehung, denn die sind seit Beginn in den Verkaufslisten, haben nette Namen und einen sehr persönlichen Steckbrief mit Fotos. Pepita zum Beispiel, haben wir mal auf unsere Merkliste gesetzt und beobachtet, solange bis sie verkauft wurde. Es ist nicht so leicht sich zu entscheiden, optimal passt kaum einer, die Preise schwanken sehr, bzw. werden eher hoch angesetzt um dann nach einigen Wochen auf realistischere Preise zu sinken. Wie sie hier mit sich handeln lassen, haben wir noch nicht raus bekommen, schon alleine die Frage, ob beim Preis noch was geht, scheint manche abzuschrecken. Andererseits wollen sie Dinge gleich mal um die Hälfte des Angebotes haben, oder gehen um ein Drittel runter. Wir schwanken zwischen älterem Baujahr und vielen Kilometern, dafür recht günstig, oder doch ein bisschen mehr investieren und ein Auto nehmen, was wir auch in Europa noch als brauchbar erachten würden. Hier sind 300 000 Kilometer und mehr ziemlich normal, selten steht was von Tauschmotor, die meisten behaupten gut serviciert zu sein. Zwischen den Zeilen liest man, dass einiges an Reparaturen angefallen ist und erledigt wurde, was kommt dann als nächstes? Oder kann man dann damit rechnen, dass die Autos quasi wie neu sind? WOF - das Pickerl, die technische Überprüfung hier ist jährlich, bei Autos älter als 2000 halbjährlich. Da fallen dann die Verschleißteile wie Reifen und Bremsen an und dann ist da noch das Self contained certificated Pickerl, welches auch oft am Ablaufen ist. Self contained certificated bedeutet, dass man mit Wasser und Abwasserkanistern und portablen Toilette ausgerüstet ist und so theoretisch keine öffentlichen Toilettenanlagen braucht, deshalb auch überall wo es nicht explizit verboten ist stehen und übernachten darf. Man darf kein Abwasser in der Natur entsorgen und Häufchen darf man auch keine machen. Für jede Person braucht es 12 Liter Wasser und 3 Liter Toilettenvolumen, wobei die Toilette in Zukunft neben dem Bett im Fahrzeug benutzbar sein muss. Klingt irgendwie logisch, doch bei den meisten Autos geht sich das nicht aus ohne das Bett hochklappen zu müssen, was schlecht geht wenn man gerade drauf liegt. Stolz wird auch bei fast jedem Angebot berichtet, dass man ein unbenutztes Klo übernimmt, soviel zu der sinnvollen Regelung Toiletten in Neuseeland spazieren zu führen. Für uns ist in diesem Zusammenhang vor allem wichtig dass das Auto nächstes Jahr wieder halbwegs gut zu verkaufen ist damit wir unsere Investition wieder raus bekommen, besser vielleicht, dass sich unser Verlust in Grenzen hält. Alternativ könnten wir ein Auto von einem Händler mit Rücknahmegarantie nehmen, da wird dann Zeit, Kilometer und Verschleiß berechnet und wenn gröber was kaputt geht, geht es auch auf unsere Rechnung. Im Idealfall würde uns dann die Reise einige Tausend Euro kosten, dazu kommt dann noch der Sprit, der jetzt auch ganz schön ins Gewicht fällt. Nicht mit dem Schiff unterwegs zu sein erzeugt einiges an Kosten, Neuseeland ist allerdings ohnehin besser an Land zu bereisen, alle unsere Freunde, die hier im Lock down an der Südinsel rum gesegelt sind waren eher frustriert, hatten schwere Wetterbedingungen und Schäden an den Schiffen. 

 

Inzwischen haben wir uns hier in der Nähe mal einen alten Toyota Hiace (1995) angeschaut, hat vom Einbau etwas seltsam ausgesehen, trotzdem faszinierend wie Fotos Mängel kaschieren. Abgesehen vom Wasser und Rost unter den Fußmatten, Rissen in den Sitzen, ist die Einrichtung hinten gar nicht mit dem Auto verbunden. Lediglich ein kleiner Keil hält einen ganzen Kasten. Auf meine Frage ob das für eine Notbremsung sicher genug ist? I never did it. 

Was uns insgesamt etwas irritiert, die Autos sehen alle wirklich alt aus, auch die, die Baujahr Mitte 2000 sind, da hat sich seit den 90 er Jahren nicht viel geändert. Naja, genauer gesagt Mitsubishi sieht schrecklich aus, Nissan geht so und Toyota sticht doch etwas heraus mit besserer Qualität, ist dann auch gleich mal um 2000 NZD teurer. Fürs Wochenende hätten wir wieder einen Anlauf genommen um ein Auto zu begutachten, auch dieses wurde Donnerstag verkauft, hier in Whangarei gibt es fast keine und die 170 km nach Aukland sind schon echt weit. 

 

Normalerweise gibt es Interessantes zu berichten, hier sind wir momentan so in einer Art Warteschleife. Die Segel sind immer noch nicht am Weg, dafür die Flüge für August nach Neukalidonien gebucht. Bis dahin wettern wir im Wochenrhythmus die Schlechtwetterfronten ab. Dieses Wochenende ringelt sich ein Sturm genau über der Nordinsel ein. Auf den Wetterkarten ist das eine tiefrote bis lila Spirale die über zwei Tage einmal einen vollen Kreis durchwandert. Das bedeutet für uns Wind aus allen Richtungen mit einer Stärke bis zu 100 km/h. Vielleicht vergisst man was man schon an Wind erlebt hat, aber diesmal hatten wir mindestens 24 Stunden fast durchgehend heftige Böen. Das Schiff rattert wie ein Zug und das Geräusch erinnert an vorbei donnernde Züge in der Station. In den Abständen zwischen den Böen ist es ruhig, so ruhig, dass man die Wassertropfen an Deck wie Kugeln einschlagen hört und man zählt wie beim Gewitter wann der nächste Donner hereinbricht. 

Zum Glück haben wir das in den zwei Jahren in denen unser Schiff hier gestanden ist nicht mitbekommen, wir hätten uns echt Sorgen gemacht und in den Tropen würde dieses Wetter schon als Orkan durchgehen. Neuseeland im Winter ist kein guter Platz für Schiffe, normalerweise wäre man zu dieser Jahreszeit auch nicht hier. 

Wie angesagt endet der Spuk so gegen 22 Uhr, eine ruhige Nacht und ein fantastischer Sonnenaufgang, strahlend blauer Himmel, 16 Grad indoor, ein bisschen Wind, unglaublich. 

Heute mal wieder richtig durchlüften und ein bisschen aufräumen, Planen neu spannen und mal sehen ob es Schäden gibt. 

Fast eine Woche mit passablem Wetter, die Tage sind sonnig und warm, die Nächte kalt, so lässt es sich ganz gut leben. Wir nutzen die Zeit zum Lüften und um das Schiff für den Monat den wir jetzt dann weg sind wieder fit zu machen. Nochmal alles durch putzen, Entfeuchter aufstellen, etwas Duft, das Beiboot an Deck und auch sonst alles so stauen, dass es nicht Beine bekommt. Hier in der Werft ist es eigentlich sicher, trotzdem kommt da und dort mal was weg, wird wahrscheinlich das Schiff wechseln, oder vielleicht doch über Arbeiter neue Besitzer finden. Nachdem hier ein Kommen und Gehen ist und viele Schiffe hier entrümpeln, findet sich auch immer wieder Brauchbares am Müllplatz. Wenn man etwas weg gibt was noch brauchbar ist, stellt man es neben den Container und meistens findet es rasch einen neuen Abnehmer. Zum Beispiel Bordtoiletten samt Zubehör sind eine begehrte Ware. Von den einfachen mechanischen Pumptoiletten gibt es verschiedene Modelle und zu jeder sauteure Ersatzteile, die wir zum Beispiel nur in Europa nachbestellen können. Da freut man sich über einen gefundenen Hebel, Dichtungen, Halterungen vom Deckel oder gleich über die ganze Toilette. Das Werftleben ist eben eine eigene Welt.

 

Zum Abschluss hier noch ein bösartiger Anschlag auf Roberts Fahrrad. Ein Platter am Hinterreifen, Robert baut ihn aus, Schlauchwechsel geht ja bereits im Schlaf, doch dieses Mal leider nicht. Im Mantel klafft ein y-förmiger Riss von einigen Zentimetern und der Schlauch ist auch ruiniert. Das ist nicht beim Fahren passiert, sieht nach Biss aus, wir haben ein Opossum in Verdacht. Die Nager streifen in der Nacht über den Yard und sind oft auch ungebetene Gäste an Bord, wenn sie an Stützen rauf klettern können. Ein Rad so im vorbeilaufen tot zu beißen ist da sicher eine Kleinigkeit. Auf jeden Fall ergibt das auch bei Robert neue Mäntel, gut, dass man hier auch billige im Warehouse bekommt, im Fahrradhandel sind die hier ziemlich teuer und 26 Zoll schon Mangelware. 

Eine letzte gute Nachricht gibt es auch noch: unsere Segel sind endlich fertig und nach Zahlung des Restbetrages werden sie mit FedEx auf den Weg gebracht. Dann hoffen wir mal, dass wir sie im September hier am Yard anschlagen können.