Österreich
19. Juni, jetzt sind wir schon fünf Wochen zurück in Österreich, zuletzt ist ja alles recht schnell gegangen, gar kein richtiger Abschied von der Karibik und ein etwas mulmiges Gefühl ob unser Schiff jetzt wohl auch wirklich sicher und gut steht. Inzwischen hat die Marina schon mehrmals Rechnungen per Mail geschickt, alles läuft sehr freundlich und korrekt ab, auch die Fotos, wie wir sicher am Boden festgezurrt sind haben sie uns noch nachgeschickt, schaut so aus wie wir es uns vorgestellt haben, Erleichterung. Jetzt sind wir gespannt ob das auch unserer Pantaenius Versicherung gefällt, die sollen ja schließlich Schäden übernehmen, falls doch welche auftreten, was wir ja nicht hoffen. Aber es wäre ja schon ziemlich blöd, wenn wir da brav tausende Euro löhnen und dann alle Schäden erst selbst berappen, also fragen wir mal nach und lassen uns den Versicherungsschutz bestätigen.

Der Flug, oder besser die Flüge waren problemlos, so wie gebucht, das Warten in Miami, fast ein Tag lang in der überklimatisierten Transitzone ein Horror. Da war der Flug über Nacht und die drei Stunden in Barcelona dann schon fast angenehm, verkühlt waren wir da ohnehin schon. Und es war eine sehr unangenehme Verkühlung mit vollkommen ausgetrockneten Schleimhäuten und über Wochen verkrusteter, verschnupfter Nase. Welch ein Kontrast zum angenehm feuchtwarmen Klima der Karibik. Das Wetter in Österreich hat natürlich auch noch seines dazu beigetragen, wir sind da quasi rechtzeitig zu den Eisheiligen da gewesen, viel Regen und für karibikverwöhnte echt zu kalt, erst mit Juni sind wir das erste Mal zum Schwitzen gekommen und auch jetzt ist das Wetter noch immer nicht stabil und warm. Immer wieder Wind und Regen und maximal 27 Grad, aber wir haben hier den Sommer vor uns, also warten wir auf Besserung und außerdem sind wir wechselhaftes Wetter ja gewöhnt, stört uns nicht sonderlich.
Die ersten Wochen waren wir in Graz und haben nach dem Begräbnis mal die ersten Wege und Veränderungen unterstützt, auch ein Raum in Roberts Elternhaus wurde geräumt und renoviert, in dem können wir jetzt wohnen. Nebenbei hab ich mal mein Arbeitsverhältnis gecheckt, ich kann von Juli bis Oktober wieder am NEF (ist das neue Notarztsystem in Niederösterreich) und auf der Palliativ arbeiten, nicht zu viel, denn wir haben ja auch so einiges vor in Österreich.

So sind wir also gut angekommen, ich hab wieder einen Kalender mit Terminen und wir sind wieder fleißig unterwegs, denn wir haben wieder unser drei Standorte, Graz, Wien und Scheibbs. Nur jetzt planen wir alles mit Zug und Rad, was deutlich aufwendiger und zeitintensiver ist, denn um von Wien nach Scheibbs zu kommen braucht man gute zweieinhalb Stunden, Wien-Graz geht knapp unter drei und Scheibbs-Graz geht gar nicht, also nur über Wien, was dann locker sechs Stunden Bahnfahrt bedeuten würde. In der Früh kommt man unmöglich rechtzeitig in den Dienst, also Anreise am Vorabend und weil Bahnfahren ja recht teuer ist macht es Sinn rechtzeitig über die Sparschiene zu buchen, mit dem Nachteil, dass man dann genau den Zug nehmen muss, man wird unflexibel, eine große Herausforderung diese Umstellung. Zusammengefasst reisen wir genauso langsam und aufwendig wie mit Sammeltaxis und Bussen auf den karibischen Inseln, nur mit Uhr und Fahrplan und längerfristiger Vorausplanung und ich hab Termine die ich einhalten muss, also es ist nicht egal ob man weiter kommt oder nicht. Und so sitzt man dann zum Beispiel im Zug, sollte in 23 Minuten in St Pölten sein, der Zug fährt aber schon später weg als er angekommen sein sollte und dann steht er auf der Strecke weiter herum. Oberleitungsschaden, keiner weiß wann es weiter geht, mein Kursbeginn rückt näher, mal sehn ob sich das noch ausgeht. Ich werde halt sagen ich bin mit karibischen Verkehrsmitteln angereist, da geht's halt nicht besser.
Gut, dass ich immer noch auf einem sehr chilligen Modus unterwegs bin, ich merke jetzt richtig den Unterschied zu früher, auch Österreich fühlt sich so anders an, hektische, unfreundliche und unzufriedene Menschen nimmt man wahr, findet es schade und kann es nicht mehr so ganz nachvollziehen. Oder hat man durch die Einfachheit des Lebens auf Reisen und auch der begegneten Armut im Verhältnis zu hier mehr das Gefühl hier zufrieden und dankbar sein zu müssen. Aber so ist es eben, eigentlich ist es egal wo und wie man lebt, man kann mit wenig und misslichen Umständen gut zu Recht kommen und sein Leben positiv empfinden oder im Geld schwimmend unzufrieden sein. So gesehen hat sich auf der Reise viel verändert, noch dazu wo wir ja auch jetzt gerade ein Stück der Reise leben, Urlaub zu Hause, oder Arbeitstop oder Reparaturstop fürs Schiff. Das ist ja wahrscheinlich das schwierigste zu beschreiben und für nicht Reisende nachzuvollziehen - unsere Reise ist kein Dauerurlaub, sondern leben in Bewegung mit viel Zeit und Erlebnissen, Ausflügen, Wanderungen, wie man sie in Urlauben macht, aber auch Alltag, reduziert, einfach und kompliziert, mal so mal so. Und hier ist es Urlaub und Arbeit und Vorbereitung auf die nötigen Reparaturen im Herbst am Schiff, wir haben festen Boden unter den Füßen, ein Dach über dem Kopf dem es ziemlich wurscht ist wenn der Wind heftig bläst oder es wie aus Kübeln schüttet und wir reisen viel, weil wir auch viele Besuche machen und eben überall auch zu Hause sein wollen.

Robert hat mir ein Fahrrad besorgt, meines ist ja an Bord geblieben, die ersten Radausflüge haben wir schon machen können, war sehr toll, das Mitnehmen vom Rad im Zug ging erstaunlich problemlos, nur das Gepäck am Rücken ist etwas gewöhnungsbedürftig, also lange Strecken will man so nicht radeln. Da war es super dass uns Sandra mit dem Auto aufgegabelt und unser Gepäck zum Campingplatz verfrachtet hat. Zwei Tage Zelten in der Tschechei, zum Glück kaum Regen. Ein paar Tage Campingurlaub, das letzte Mal haben wir auf La Palma gezeltet, das war Oktober letzten Jahres. Ein super gemütliches Wochenende, mit Lagerfeuer und Radausflug mit geliehenem Kinderanhänger, denn Livia radelt zwar schon sicher dahin, recht weit kommt man so allerdings nicht.

In Scheibbs ist alles soweit vorbereitet, ich bin startklar zum Arbeiten und freu mich schon drauf. Es macht mir Spaß mich wieder vermehrt mit Fachliteratur zu beschäftigen, habe meine Notfallkompetenzen aufgefrischt und den Inhalt des NEF Autos auseinandergenommen, man muss ja schließlich wissen was wir alles mit haben und wo Medikament, Verband und Sonstiges verstaut ist. Auch die Apparate sind neu, da muss man mal an allen Knöpfen drehen um im Ernstfall rasch die richtige Einstellung zu finden. Die Neuerungen im Spital werde ich im ersten Dienst auf mich wirken lassen, werde auch eine eigene Computereinschulung auf die neuen Programme bekommen, so bleibt man fit.

Die ersten zwei Monate sind jetzt schon vorbei, die Zeit ist rasch vergangen, mindestens so rasch wie in der Karibik, mir kommt vor, dass man mit Kalender und Terminen die Zeit sowieso dichter wahrnimmt und vermehrt das Gefühl von Zeitknappheit und, im Extremfall von Stress hat. Und auch ohne Arbeit müssen wir oft zwischen mehreren Einladungen oder Vorhaben entscheiden, es wird sich nicht alles ausgehen, so wie wir unterwegs auch immer wieder mal was nicht besucht haben, weil man sonst rumhetzen würde, was völlig unsinnig ist. Es fällt mir jetzt schon leichter, ich freu mich über alles Erlebte und verschmerze Versäumtes ganz gut, wieder eine Veränderung, die ich bemerke.

 

Die Diashow, die ich zum Herzeigen zusammenstellen möchte entpuppt sich als etwas größeres Projekt. Ich brauche dafür ein halbwegs bedienerfreundliches Programm, welches bisher auf unseren Rechnern noch nicht läuft, ich arbeite daran und freu mich immer wieder die Fotos beim Sortieren durchzusehen, Erinnerungen und Sehnsucht wachzurütteln.
Alles zusammen hat sich unser Leben in jeder Hinsicht intensiviert, so wie wir es wollten, Heimaturlaub passt gut für uns, mal sehn wie es weitergeht.