Alles einmal durch

Wie war das mit dem Wind, kurz hatten wir die Trimiti Inseln am Plan, guter Wind in die richtige Richtung, noch 15 Meilen, könnte sich vor der Nacht noch ausgehen. Im Internet finden sich auch einige Berichte, super zum ankern, beliebte Ausflugsinseln. Sind auch die einzigen weit und breit vor der italienischen Küste, also logisch, dass dort alle vorbeischauen. Wir also auch, oder auch nicht, denn der Wind schläft doch wieder ein, das Meer nimmt wieder seine ölige Glätte an und zum ankern wäre es hübsch dunkel. Also Plan B, wieder Kurs auf die Küste und Ankern vor Gagano, endloser Sandstrand vor den berühmten zwei großen Brackwasserseen. Wenn Wind aufkommt können wir ja wieder weiter, unser nächstes Ziel wäre dann Vieste. Diese Stadt wäre auch auf der Liste jener Orte die wir uns anschauen wollen. Vielleicht klappt es diesmal mit dem anlegen, wäre das erste Mal nach Ancona, seither einige Nächte vor Anker, kein Land betreten.

Die Nacht bleibt ruhig in der Früh kommt dann endlich Wind auf, so viel wie schon lange nicht. Zuerst langes schönes Segeln mit Spi, ein Genuss. Das Land zieht wie in einem Film an uns vorbei. Zeit genug alles zu betrachten, zu fotografieren und auch mit dem Feldstecher hübsche Häuser, Wehrtürme, Fischernetzgestelle usw. zu betrachten. Hier gibt es keinen Massentourismus, eher Campingplätze und viele Surfer und Skitsurfer. Vieste kommt rasch näher, kein Hafenmeister am Funk zu erreichen, also fahren wir so in das Hafenbecken ein und dann ein Schock. Plötzlich rasch abnehmende Wassertiefe. Wir laufen fast auf Grund, ober uns recht nah ein Kabel quer über die Bucht gespannt, rasch ein Manöver im letzten Augenblick, Schwert und Ruder eilig hochgezogen, Rückwärtsgang und raus aus der Passage. Zum Glück haben wir unsere Ovni mit variablem Tiefgang, sonst hätten wir jetzt mit Sicherheiten einen gröberen Schaden am Boot. Bei 15 bis 20 Knoten Wind dann rein in den Hafen und anlegen an einem Schwimmsteg. Erst als das Boot sicher vertäut ist beginnen meine Knie weich zu werden und die ganze Anspannung lässt nach. Glück, gute Seemannschaft, auf jeden Fall Erleichterung, nochmal alles gut gegangen, jetzt ist uns alles recht was sie uns verrechnen, was sonst ja Überlegungen sind die eine Wichtigkeit haben. Oder vielleicht angesichts solcher Erlebnisse zu Unwichtigkeiten werden. Ich brauche einige Zeit bis ich mich von diesem Schock erhole, alles lauft noch wie ein Film vor meinen Augen ab, haben wir alles richtig gemacht, wo hätten wir besser aufpassen müssen? Erst eine Dusche, der nette Empfang an diesem kleinen privaten Steg und die fairen Preise lassen mich auch gut ankommen. Morgen ist das große Fiesta San Antonio, da solltet ihr noch bleiben, meint die Chefin dieses Stegs, sie muss es wissen, organisiert sie in der Kirche mit und ist daher nur zeitweise am Hafen. Wir lassen es offen und begeben uns mit gutem Gefühl mal zu einem ersten Streifzug durch die Altstadt. Hier fühlt man sich wohl, die kleinen Gassen, netten Lokale, alles sehr italienisch, offen, herzlich, viel Leben vom Säugling bis zum Greis. Also hier bleiben wir sicher zu San Antonio. Es ist schön so spontan sein zu können, alles so knapp beisammen, viel Wind, wenig, gar keiner, fast grober Schaden, schlendern durch die Altstadt, mit gutem Café, leider ohne wifi, dann noch einmal Makrelen, diesmal vom Grill, erster größerer Radausflug der Küste entlang und landeinwärts Richtung Nationalpark Gagano und abends darauf das große Fest. Alles einmal durch, der Wind bläst am Nachmittag mit 35 Knoten und mehr, wir liegen sicher am Steg und überlegen ob wir morgen bei so einem Wind überhaupt auslaufen wollen. Der Marinero berichtet, dass morgen auch sicher Gewitter kommen. Heute schaut nichts danach aus, der Wind schläft über Nacht auch wieder vollkommen ein, sodass man die Gewitter nicht erahnen kann, aber Einheimische wissen da meist gut Bescheid. Also was ist der Plan für den nächsten Tag? Bei wenig Wind auf jeden Fall auslaufen und nächstes Ziel Molfetta, Bari oder Monopoli, mal sehn wie weit wir kommen. Und dann man glaubt es kaum hinter uns türmen sich in Windeseile die Kumulus hoch auf, alles wird schwarz, der moderate Wind frischt auf 25 Knoten auf und hinter uns Gewitter über Vieste. Alle Segel einmal rauf und auch wieder runter, die Antennen zur Sicherheit abgeschlossen, wir wollen ja keinen Blitzschaden an den teuren Geräten, haben wir sie doch gerade erst vom Schmorbrand gerettet. Das Gewitter zieht über Land immer schön Steuerbord an uns vorbei, doch dann breitet es sich immer weiter aus und auch wir werden von der Grauen Wetterfront geschluckt. Wir zählen die Zeit zwischen Blitz und Donner, das Gewitter etwa 20 km von uns entfernt, also Kurs so beibehalten. Mitten drin, Regen und wenig Wind, auch das Ölzeug muss wieder mal raus, eben alles durch und wieder vorbereiten auf eine mögliche Nachtfahrt. Irgendwie alles immer neu und doch wiederholen sich die Dinge. Zumindest die Vorbereitungen, denn dann kommt ja doch alles anders als man so vorbereitet hat. Immer schön spontan bleiben, manchmal weil man es mag und manchmal weil man es muss. Eine gute Schule fürs Leben, wir lernen auf jeden Fall viel dazu. Bari ist zum Greifen nahe also sollten wir doch anlegen um eine ruhige Nacht zu haben. Nachtansteuerung in den großen Hafen, erst im letzten Moment sieht man die Mole, man orientiert sich ja primär an den Leuchtfeuern und Molenbefeuerungen in rot und grün und tastet sich bis zu den Stegen mit Murings vor. Das Anlegen klappt problemlos, neben uns eine Reinke, wir unterhaltern uns kurz mit den deutschen Eignern, die vom Süden in den Norden auf Durchreise sind. Kurz Infos austauschen, der Hafen hat ihnen 49 Euro gekostet, morgen kommt sicher der Marinero wieder vorbei, aber vielleicht sind wir da schon wieder weg. Kurz so gedacht steht schon ein Mann vor unserem Boot am Steg, schaut und spricht uns dann an. Er ist Marokkaner und spricht nur undeutlich englisch, möchte unsere Papiere, wir können morgen zahlen. Eine weitere Prüfung. Ist das ein Schmäh oder kann man ihm vertrauen und die Papiere mitgeben. Was ist, wenn wir morgen niemanden antreffen und bis Montag bleiben müssen oder unsere Papiere in dieser Nacht auf dem Schwarzmarkt verschwunden sind? Aus der gewünschten Nachtruhe wird angesichts des mulmigen Gefühls vorerst nichts. Lange sitzen wir noch an Deck und denken über unsere Erlebnisse nach. Alle einmal durch oder was kommt als nächstes?