Tagträume

Der Meltemi ist überstanden, seit Mittwoch ist es wieder fast windstill. Hier am Peloponnes waren wir gut aufgehoben, die Kykladen haben wirklich vier Tage den vollen Sturm abbekommen. Der Unterschied ist faszinierend, das Meer, welches vor kurzem noch aufgewühlt und bedrohlich war, glitzert jetzt im Sonnenlicht, wenn überhaupt Wellen, dann klein und sanft. Gemächlich geht's weiter Richtung Nafplion, gerade mal drei Meilen die Stunde. Bei so langsamer Fahrt wird die Küste, mit ihren vielen kleinen Buchten und den schönen Villen, wie in Zeitlupe an uns vorbeigezogen, wir haben Zeit alles genau zu betrachten und machen auch bald in einer der türkisgrünen Buchten Halt. Für heute reicht es, noch ist es warm genug zum Baden und auch mit dem SUP sind wir wieder unterwegs, wir können uns treiben lassen! Pläne von gestern sind heute schon wieder veraltet, es tut sich eben was Neues auf, was besser passt. So sind wir auch in Spetses gelandet. Geplant war, dass wir die Insel auch mit der Schnellfähre anlaufen, der Hafen ist als überfüllt und mit wenig Möglichkeiten zum Anlegen beschrieben. Da der Wind aber nur ein Hauch war, es früher Nachmittag und unser Kurs gerade auf den Hafen zu, entschieden wir uns kurzfristig, mal einen Blick reinzuwerfen. Wenn Platz ist, können wir ja bleiben, sonst weiter in eine der umliegenden Buchten. An der äußeren Halbinsel, an einem Fischersteg, liegen schon zwei Yachten, ein Platz ist noch für uns und nach einer kurzen Runde im engen Hafen, um zu wenden und sich einen Überblick zu verschaffen, liegen wir auch schon auf dem etwas entlegenen Steg. Ohne Räder wäre der Ort einen ganz schönen Hatscher weit weg, so ist der Platz aber brauchbar. Rund um uns Fischerboote, eine Werft, die riesigen Holzboote stehen am Strand unter den Bäumen, einige große Frachter liegen auch vor Anker und eine große Fähre legt vis a vis direkt am Schotterstrand an, man glaubt es kaum. Die Bucht ist ein Parkplatz und eine Werkstätte für Boote aller Größen und Farben, ein Durcheinander und Gestapelt, freundliche Hafenarbeiter und Fischer, Lärm von Schleifmaschinen und Lackgeruch. Katzen und Gänse vervollständigen das Bild. Hier sind die Katzen besonders frech und spazieren uneingeladen über die Gangway an Bord, oder sie sitzen davor betteln und maunzen. Am Nachbarboot gaben sie auch eine Vorstellung wie weit sie von Bord wieder an Land springen können, wenn es nötig ist, also eigentlich brauchen sie keine Brücken. Nicht sehr beruhigend, wenn man sie nicht an den Vorräten haben möchte, aber Katzen sind besser als Ratten, und die sind dann hoffentlich nicht da. Trotzdem schwacher Trost und das Boot wird sicherheitshalber auch nachts verschlossen.

Gegen Abend aufgeregtes Gänsegeschnatter, die „Gänseliesel“ kommt mit Futter, ländliche Idylle mitten im Hafen und Ort. An der Hafenpromenade alte Männer bei Fachgesprächen und beim Fischen, Lokale reihen sich an einander, der Ort zieht sich fast zwei Kilometer die Küste entlang und verändert sich in eine Flaniermeile mit Luxushotels, großen venezianischen Gebäuden und Villen. Bei unserem Radausflug rund um die Insel sehen wir Anwesen aller Art, die beeindrucktenste sogar mit eigenem Hubschrauberlandeplatz. Bis auf die große Mülldeponie, deren Rauchschwaden ätzend über die Insel ziehen, einigen alten Häusern mit Ziegen, Schafen und anderen Tieren, ist die Insel wie ein Museum. Gepflegter Pinienwald, Olivenhaine und ummauerte Anwesen, Zäunen sowie Gärten mit blühender Vegetation und Palmen. Die einzige Straße, nur für Mofas, Fahrräder und einige wenige Transportfahrzeuge, windet sich um jede Bucht herum, immer den Hang entlang umrahmt sie die zerklüftete Insel. Damit geht sich auch auf einer kleinen Insel eine lange Radtour mit ständigem bergauf und bergab, atemberaubenden Ausblicken und Badestopps aus. Spetses liegt einen Steinwurf entfernt von Hydra, ist aber durch ihre geschütztere Lage wesentlich fruchtbarer und grüner.

Hydra hingegen ist karg, nur der Ort als Zentrum ist groß und gepflegt. Im Hinterland auch Oliven und Wein, nur viel weniger und die Häuser und Villen sind im Vergleich zu Spetses bescheiden klein. Hydra ist ursprünglicher, das Leben mit den Lasttieren, den Handwagen rund um den Hafen scheint nicht nur für Touristen inszeniert zu sein, wiewohl sie davon wahrscheinlich gut leben. Hydra strahlt eine Langsamkeit und Ruhe aus, die ansteckt. Eine Frau die langsam mit ihrem Einkauf die steile Straße heraufkommt, ihre Katze die wie ein Wachhund vor dem Hauseingang auf sie wartet, ein Mann der einen vollbepackten Esel führt, ein Bauer der rasch durch den Ort reitet, ein Wachhund der sich durch den Zaun streicheln lässt und ein Esel der am liebsten mit uns mitgegangen wäre. Auch der Tischler, mit langem weißem Rauschebart in seiner Werkstatt hat uns sehr beeindruckt. Der Orthopäde, hoch oben am Hang in einem luxuriösem Haus hat einen Schuh mit Prothese vor der Türe stehen und seine Sprechzeiten am Schild. In all den Orten muss man gut zu Fuß sein bis ins hohe Alter, nicht nur um den Orthopäden zu erreichen.

Der letzte Monat unserer diesjährigen Reise ist angebrochen, wir haben keine großen Pläne mehr, ein paar Wanderungen wären schön wenn sie sich noch ausgehen, aber noch schöner ist es, alles auf sich zukommen zu lassen und über unzählige Kleinigkeiten zu stolpern. Wäre interessant ob der kleine Reiher sich auch heute wieder seine Flügel am selben Felsen durch den Wind trocknen lässt wie an unseren Hafentagen in Ermioni, ob die Hafenhunde, die stundenlang vor unserem Boot gelegt haben, auch noch herum streifen.

Wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht uns nach Wetter und Wind zu richten, unsere Ziele einfach auf uns zukommen zu lassen. Paralion Astrous lässt sich durch eine Winddrehung auf halbem Weg nach Nafplion gut erreichen. Der Hafen ist groß und kaum belegt, wir bleiben drei Tage, weil es hier schön ist, weil wir Radausflüge machen können und weil uns an einem Tag mit Regen ohnehin nichts aus unserem schwimmenden Haus gelockt hätte.

Die gesamte Woche ist bewölkt und regnerisch angesagt, in einem günstigen Wetterfester erreichen wir Nafplion, wo wir auch tatsächlich fast zwei Tage mit Starkregen und Gewitter hatten. Zwischen den Regengüssen lockerte es immer wieder auf und wir packen uns zusammen für die nächste Besichtigung oder Aktivität. Gerade zurück von der Festung Palamidi erwischt es uns zu Mittag in einer Taverne, sodass wir gleich drei Stunden bleiben und die griechische Atmosphäre genießen. Immer wieder stürmen klatschnasse Personen ins Lokal, angeregte griechische Unterhaltung, regelmäßig werden die neu entstandenen Lacken vom Fliesenboden gewischt, Essen und Trinken auf und abserviert. Die Einrichtung ist alt und sehr geschmackvoll, die Mauern roher Ziegel, nur im unteren Bereich verputzt, schönes Gewölbe und große Rundbögen mit Türen in den Gastgarten, der jetzt mit Wasserspielen von den Schirmen vor uns liegt. Nafplion ist wieder ein größerer Ort, mit einer Gasstation um unsere österreichischen Flaschen zu füllen. Es ist erst die zweite Füllstation die wir in Griechenland gefunden haben, üblicherweise werden die griechischen Flaschen getauscht. Am großen Wochenmarkt füllen wir unsere Vorräte wieder auf, jetzt schon mit Bedacht, dass wir in drei Wochen alles verderbliche weggegessen haben müssen, denn mit dem Flugzeug können wir es nicht nach Österreich mitnehmen. Fast jeden Tag sind wir mit den Rädern unterwegs, Robert klebt regelmäßig seine Reifen, sollte sich jetzt langsam mal neue Mäntel besorgen, aber so kommt er nicht aus der Übung und mit kurzen Stops an Tankstellen, um bequem an Druckluft zu kommen, sind wir wieder unterwegs.

Badenachmittag am kleinen Strand auf der anderen Seite der Halbinsel, dort wo das Wasser noch relativ sauber ist, Sonnenuntergang von der Burg aus, der Blick weit in die umliegenden Berge und nach Süden in den Argolischen Golf.

Die Hafenbucht hat den großen Nachteil, dass das Wasser wirklich schmutzig ist und teilweise auch übel riecht. Daher ist es gut, dass jetzt keine Affenhitze mehr ist, sondern eher kühl, nur 25 Grad und Regenwasser mehr als genug von Oben. Fische gibt es trotzdem genug in der trüben Brühe, jede Früh klauben wir sie von unserer Heckplattform und aus dem Beiboot, bei ihrer Flucht vor Raubfischen hüpfen die ca 10 cm kleinen Sardinen aus dem Wasser und manche so unglücklich, dass sie nicht wieder hinein kommen und im Trockenen ihr Ende finden. Bei unserem fehlenden Fischerglück mit der Schleppangel scheinbar die leichteste Methode an frischen Fisch zu kommen, oder noch besser am Markt kaufen. Griechenland ist schon ziemlich leer gefischt, die Auswahl ist auch in den Geschäften nicht riesig und guter Fisch eher teuer. Die üppigen Zeiten sind vorbei, Fisch kommt auch hier immer öfter von Fischfarmen, denen man häufig in Buchten begegnet. Hinter der Hafenmole ist gleich der große Parkplatz von Nafplion, auch nicht gerade der ideale Hintergrund, ein Park oder nette Lokale wären uns lieber, die liegen einige hundert Meter hinter Parkplatz und Straße. Von dort hört man auch morgens und abends das laute Gezwitscher von Staren, die die Bäume als Schlafplatz nutzen. Sie kommen in riesigen Schwärmen unterhalten sich lautstark und machen es sich im Geäst bequem. Manchmal sieht man auch schwarze Vogelwolken über dem Hafen Richtung Stadt hinweg ziehen, ein schönes Schauspiel der Natur, so betrachtet ist unser Platz an der Mole sehr kontrastreich.

Ab morgen soll die Regenphase wieder vorbei sein, wir wollen auf jeden Fall noch das archäologische Museum hier besuchen, dann kann's beim nächsten guten Wind wieder weiter gehen.