Gewitter

Bari - Monopoli, eine überschaubare Distanz von 23 Seemeilen, wieder wechselnde Winde. Da wir aus Bari früh aufgebrochen sind, war ja ein wirklich scheußlicher Industriehafen und eine seltsame Marina, schaffen wir die Distanz trotz wechselnder und schwacher Winde bis Nachmittag. Wie gehabt, holt uns wieder ein Regenschauer ein, schwarze Wände und bizarre Wolkenformationen ziehen rund um uns auf, dort und da donnert und blitzt es. Wir fahren Richtung deutlich helleren Himmel, viel blau und weiße Wolken, also sollten uns kein Gewitter mehr einholen. In Monopoli haben wir die Information, dass man einfach an der Mole unter dem Castell anlegen kann, dort ist auch alles frei, wir bereiten uns aufs anlegen vor und funken die Hafenbehörde an. Sie möchten wieder allerhand von uns wissen und bitten uns dann ins Office zu kommen. Interessanterweise stellen sie jedesmal etwas andere Fragen und fordern weitere Dokumente die gesichtet werden wollen. Diesmal waren es die Bootsführerscheine, die wir noch extra bringen mussten. Aber wie immer, sehr nett und Monopoli ein ruhiger nicht all zu touristischer Ort. Ideal um wieder eine Nacht gut zu schlafen. Robert hatte etwas Bedenken, ob der Hafen nicht von Diebesgesindel heimgesucht wird und wir liegen an der Mole ja gerade so zum drüber spazieren, fast eine Einladung. Am Abend flanieren viele Familien an unserem Boot vorbei, einige sprechen uns an, bewundern unser "bello" Boot und arrangieren auch Fotos "Mutter mit Baby" bei uns an Deck. Ist es hier sicher genug um das Boot einen Tag lang alleine zu lassen? Ich setzte mich durch, wir geben alles was so leicht gestohlen werden kann unter Deck, auch der Spi muß rein, verstecken alle Dinge des Begehrens in unterschiedlichen Schapps, wo wir sie nur mit Mühe selbst wieder finden und versperren das Boot mit dem zusätzlichen Sicherheitsbügel, den Robert extra gefertigt hat. Alle Luken werden von innen verriegelt, eine Selbstverständlichkeit, könnte man ja sonst bequem beim Fenster einsteigen. Unser Radausflug nach Alberobello und Locorotondo ist dann ein Genuss, ein kurzer Regenschauer, der Tag nicht zu heiß, trotzdem 70 schweißtreibende Kilometer, zuerst lange Bergaufstrecken, erst die Talfahrt zurück nach Monopoli ist eine Erholung und ein würdiger Abschluss. Noch nicht lange zurück an Bord dann eine schwarze Wand über dem Hafen, deutlich abgesetzt vom Boden durch einen hellen Streifen, sehr imposant anzusehen, kurz darauf, Wind der uns das Radgewand von der Reling fegt, das Wasser kommt waagrecht daher, es drückt uns an die Mole, die Fender dünn wie Karton, aber sie halten, das Boot nimmt keinen Schaden. Nach 15 Minuten ist alles vorbei, der Himmel richtig ausgeputzt, das Hafenbecken voll mit rumschwimmenden Gegenständen. Im Ort hat es einige Schirme zerfetzt und Lokale überflutet, das meiste konnten die Lokalbesizter aber noch rechtzeitig retten. Gemeinsam mit unserem schweizer Liegenachbarn fischen wir noch massenweise Styroporsteigen und Holz aus dem Wasser, denn sogar diese leichten und sanften Styropordinger erzeugen, wenn sie von der Welle an der Bordwand vorbeigezogen werden, eigenartige Geräusche. Im Rhythmus der Wellen klopft und schert es dann, dass stört die Nachtruhe. Bei so unsicherer Wetterlage ist guter Rat teuer wann die beste Zeit zum auslaufen ist. Gewitter können sehr rasch überall entstehen, am liebsten möchte man allen ausweichen, aber dafür sind wir nicht schnell genug. Also bleibt es auch ein bißchen Glück, ob man erwischt wir oder gerade noch davon kommt.

Nächster Morgen wieder weiter, Brindisi müsste erreichbar sein. Und jeden Tag wieder die Entscheidung, weiterfahren, Nachtfahrt, ankern oder Hafen. Nach dem Industriehafen Bari entschließen wir uns den ebenfalls riesigen Hafen Brindisi zu sparen und ankern in der Bucht davor. Ablandiger Wind, vier Meter Wassertiefe, alles bestens, oder auch nicht. Im Nachhinein eher eine Fehlentscheidung, Gewitter in der Nacht, drehende Winde und unmöglich viel Schwell. Das sind die unregelmäßigen Wellen, die an Land laufen und gleich wieder zurückkommen und das Boot aus den unterschiedlichsten Richtungen bewegen. Das unangenehme ist, dass es keine Regelmäßigkeit in der Schigfsbewegung gibt und dass sich das Boot dadurch von Zeit zu Zeit heftig aufschaukelt. Zuletzt starker anlandiger Wind, um drei Uhr ist also Schluss mit Nacht, schlafen war ohnehin wegen dem Geschaukel nicht möglich, Anker auf und weg. Zum Glück haben wir beide einen robusten Magen, was mal drin ist wird nicht mehr an Italien abgegeben. Andernfalls hätte Italien bei dieser Reise einen guten Überblick über unseren Speiseplan bekommen. Nach drei Stunden gegen Welle und Wind sind wir endlich an der Hafeneinfahrt Brindisi vorbei, gerade mal eineinhalb Seemeilen. Ziemlich sinnlose Aktion, viel Mühe für nichts. Der Wind dreht, aus Gegenwind wird Rückenwind und wir segeln mit Spi Richtung Otranto. Kaum zu glauben und irgendwie hat man das Gefühl die machen es einem zu Fleiß. Na ja Hauptsache alles gut gegangen und Otranto gut erreicht. Abwechselnd überfällt uns die Müdigkeit, ich verschlafe sogar das nächste Gewitter im Hafen von Otranto, Robert wacht, ob der Anker hält und wir auch sicher stehen. Sonst stünde die nächste Bootsrettungsaktion an, neues Ankermanöver oder im schlimmsten Fall raus aus dem Hafen aufs offene Meer und dass bei scheußlichem Wetter. Also hoffentlich hält der Anker und die Gewitter sind rasch vorbei. Ziemlich geschlaucht beenden wir den Tag, Otranto können wir auch morgen besuchen, einkaufen und wifi wäre super.

Mit einer gewissen Regelmäßigkeit ist uns eine ruhige Nacht vergönnt, gut ausgeschlafen bereiten wir das Beiboot am nächsten Morgen zum Landgang her. Normalerweise eine Sache von sagen wir mal zehn bis fünfzehn Minuten, diesmal leider nicht. Der Motor streikt, Robert angespannt wie immer, wenn wieder technisch was zu richten ist und er womöglich ein klein bisschen Schuld am Gebrechen hat, plagt sich ganze drei Stunden, inklusive Treibstoffwechsel, auf schaukelndem Beiboot bis der Motor endlich schnurrt. Ein Gewitter zieht in der zwischen Zeit vorbei, wir nutzen das günstige Wetterfester und fahren an Land. Nicht lange zieht es schon wieder schwarz herüber, Wind kommt auf, zurück zum Boot, ein Regenguss, dass man die Hand vor Augen nicht sieht, der Wind wieder weg. Das instabile Wetter ist für uns eine ständige Herausforderung, sind wir doch dem Wetter ausgesetzt und müssen verlässlich für Sicherheit sorgen. Nächster sonniger Abschnitt, neuerlich an Land, einkaufen und auch dann wieder rasch zurück. Ein paar Stunden Schlaf sollten sich ausgehen, in den Morgenstunden dann los zur Überfahrt nach Othonoi, der ersten erreichbaren Insel vor Korfu.

Auch diese Nacht wieder durchsetzt mit Gewittern und Regenphasen, der Schwell steht in das Hafenbecken von Otranto, sodass an Schlaf kaum zu denken ist. Abgesehen vom Geschaukel und teilweise Gezerre an der Ankerkette, kommt es in unregelmäßigen Abständen zu einer Wellenkonstellation die das Boot so aufschaukelt, dass es sich 40 Grad nach jeder Seite legt. Dabei rutschen in allen Kästen Gegenstände hin und her und erzeugen ohrenbetäubendes Gedonner. Die Geräuschkulisse ist wie eine Symphonie mit leisen und sehr lauten Instrumenten und mit Regelmäßigkeit stehe ich auf stopfe alle Shirts, Handtücher, Topflappen und was sich sonst noch findet zwischen, Gläser, Flaschen, Teller um das Hin - und Hergerutschte zu minimieren. Das wäre geschafft, aber da ist noch ein ständiges Geraunze, vom leicht hin und herschwenkenden Großbaum - kann man festlaschen, das Schwert gehört eingezogen, begleitet sonst jede Welle mit einem Tac Tac, sicher auch kein Vorteil für das Lager. Im Mast schlagen die Kabel hin und her, ein Geräusch an dass wir uns gewöhnen müssen, die Fahrradhelme klopfen regelmäßig an die Badezimmerwand, also runter von der Kleiderstange, und dann sind noch haufenweise kleine Gegenstände, denen man es gar nicht zutrauen würde so einen Lärm zu machen, zuletzt hab ich noch den Schuhlöffel von seinem Haken beim Niedergang genommen, auch er hat im Konzert eifrig mitgespielt. Wenn man so auf die Geräusche fixiert ist, hört man auch wirklich viel und entwickelt eine gute Geräuscherkennung - was könnte das für Geklapper sein, wo kommt dieses zisch zisch her?

Manches läßt sich beheben, manches bleibt, also Schwell bedeutet immer auch Symphonie der Geräusche.

Und so ist auch diese Nacht vergangen, nach einem letzten Regenguss um vier Uhr Früh dann endlich los, auf nach Griechenland. Die Wolken lichten sich, Sonnenaufgang, starker, aber regelmäßiger raumer Wind, Kreuzsee, Nachwirkungen der nächtlichen Gewitter und drehenden Winde, trotzdem mit bis zu 7 Knoten Fahrt geht es so rasch wie noch nie dahin. Es scheint, dass uns Griechenland versöhnlich stimmen möchte, alle Mühen aus Italien sind dann schnell vergessen. Wir haben etwas über zwei Wochen anstrengendes Segeln hinter uns, das Wetter war in dieser Zeit so schlecht wie sonst nie im Juni. Manchmal hat man halt Glück im Leben und erwischt es wirklich genau. Trotzdem, die schönen Momente und der Erfolg bleiben erhalten. Dieser Mechanismus der Psyche ist auch für Segler sehr wichtig, sonst würde man an solchen Schlechtwetterphasen verzweifeln und nie berichten wie toll das Reisen mit einem Segelboot und wie schön das Leben am Wasser ist. Die ersten zwei Wochen sehr durchsetzt, aber rückblickend, dank der Psyche trotzdem schön und lohnenswert. Nach einer traumhaften Überfahrt ist Griechenland erreicht!