Algarve

Für Mittwoch, sagt der Wetterbericht sollte es für die Durchfahrt durch die Straße von Gibraltar günstig sein, Dienstag früh dann rasch der Entschluss endlich den Hafen zu verlassen. Denn warum noch einen Tag Hafengebühr bezahlen und morgen in der Früh warten bis das Büro wieder öffnet, wenn wir, laut Tidenkalender so gegen acht Uhr starten können. So wie in vielen Seglerberichten beschrieben, entsteht plötzlich ein Aufbruchsstress, die Wäsche muss noch aus der Maschine, alle Schuhe und die Räder gesäubert und verstaut, das Schiff segelklar gemacht werden. Wir verabschieden uns recht hastig von Walter und Karoline von der Toroa, mit denen wir nette Stunden verbracht haben. Sie sind auch aus der Steiermark, unterwegs in die Karibik und wollen von hier aus gleich auf die Kanaren, hoffentlich treffen wir uns auf der Strecke wieder einmal.

Noch bevor der kräftige Westwind einsetzt wollen wir raus aus unserer Lücke und vorne beim Hafenbüro zur Abmeldung nochmals stoppen. Alles klappt problemlos, eine Stunde später liegen wir vor dem Stadtstrand in der großen Bucht vor Anker. Wie ungewohnt das Geschaukel plötzlich wieder ist, zehn Tage Marina und man hat die gespeicherte Bewegung tatsächlich wieder vergessen. Nach ein paar Stunden ist es wie immer, man bewegt sich geschickt und gleicht die Schupser aus, hier ist nämlich ganz schön Welle für einen Ankerplatz. Dank doch recht starkem Westwind bewegt sich das Schiff stabil und schaukelt sich nicht auf, welch Glück!
Trotzdem schlafe ich die Nacht nicht gut, bin doch etwas aufgeregt ob der morgigen Strecke, Robert schläft tief, haben wir die Rollen getauscht? Dann plötzlich ein Knall, ich springe auf, was ist passiert, sind wir wo angestoßen, hat uns wer gerammt? Draußen alles still, alle Boote im gehabtem Abstand, im Schiff sehe ich auch keine Auffälligkeiten, vielleicht hab ich mir das nur eingebildet, denn Robert zuckt mit keiner Wimper. In der Früh dann doch der Beweis, dass ich richtig gehört habe, meine Rettungsweste ist an ihrem gestauten Platz neuerlich explodiert, irgendetwas stimmt mit den Salztabletten nicht, sollte nicht nochmal passieren, also bekomme ich eine neue gewartete Rettungsweste angepasst.

Auch jede unruhige Nacht geht zu Ende und früh aufgestanden geht sich auch noch ein Frühstück aus, dann beherzt mit Segel los. Nicht lange, denn wir kreuzen bei nahezu keinem Wind zwischen den Tankern und Schnellfähren herum und kommen fast nicht weiter, Segel bergen und Motor an. So motoren wir bis zur Ecke und hinein in die Straße von Gibraltar und dann mit ca. 3 Knoten auch durch, denn Wind meldet sich bis Nachmittag keiner mehr. Noch in der Bucht ein Naturschauspiel erster Klasse, rund um uns hunderte Delphine, einige begleiten uns, andere Gruppen ziehen majestätisch vorbei. Warum sind die alle in der Bucht vor Gibraltar, gibt es da was Besonderes? Ist ja fast so wie Menschenmassen beim Abverkauf. Nach einer Stunde sind alle verschwunden, kein einziger Delphin mehr zu sehen. Wir schieben uns der Küste entlang, etwa 20 Segler tun es uns gleich und ebenso viele Großschiffe lassen sich zählen. Ist also weit weg von Gedränge, alles nicht so schlimm wie man es sich nach den Beschreibungen vorstellt, wahrscheinlich an anderen Tagen, heute nicht und dass ist gut so. Im Funk immer wieder Pan Pan Meldungen, deren Inhalt wir beim besten Willen nicht verstehen, weil extrem undeutlich gesprochen in Englisch und sonst nur spanisch. Wir halten aber ohnehin Ausschau, können keine Auffälligkeiten beobachten. Und so sind wir nach 6 Stunden an Tarifa vorbei. Mit dem ersten halbwegs brauchbaren Wind segeln wir wieder los, leider kommt er wieder genau gegen uns, egal auf welchem Kurs wir segeln, wir machen kaum Meilen in die richtige Richtung, trotzdem, bei 12 Knoten  Wind wird nicht motort, vielleicht wird es über Nacht besser, die Hoffnung stirbt zuletzt. Das Tidengewässer verlangt uns nochmals alles ab, wieder kommen wir in eine Strömung die uns die sonst halbwegs passable Fahrt raubt, es wird dunkel, ein Ankerfeld voll Frachter und ein ausgewiesenes Fischereigebiet, wahrscheinlich wieder mit Bojen zum Einfangen, müssen passiert werden, da muss nochmals der Motor helfen, denn sicher ist sicher. Erst gegen morgen dann der angesagte Ostwind, ein Hauch den ich mit dem Genacker einfange, langsam geht es vorwärts, ein wunderschöner Sonnenaufgang, eine glatte See, wieder eine große Delphinschule, ich wünsche mir einfach nur ein bisschen mehr Wind, vielleicht ein paar Grad südlicher, kann doch nicht so schwer sein, dann wäre alles perfekt. Ein paar Stunden bekomme ich dann auch den Ostwind mit 8 Knoten, dann wieder Flaute. In der Adria ist Segeln schon eine Geduldsprobe, an der Algarve kommen die Strömungen noch verschärfend hinzu. Da ist es dann fast wie ein Lotto Sechser wenn man gut voran kommt und ein angepeiltes Ziel unter Segel erreicht, denn im Fluss Guadiana, den wir heute erreichen wollen gibt es bis zu 4 Knoten Strömung, wenn man bei Niedrigwasser einläuft. Wildwasser fahren mit dem Segelboot, eine neue Disziplin die wir nicht auch noch brauchen.

Am Nachmittag geht's dann nochmal mit bis zu sieben Knoten voran, rein in den Fluss, Ankerplatz suchen. Es ist schon komisch, wir sind weit und breit alleine unterwegs, nur ein Fischer zieht an uns vorbei, obwohl es von der Strömung her jetzt günstig ist. Und wo ankern die Yachten? Wir nehmen einen der beschriebenen Plätze, der Anker schleift über hartem Grund, gräbt sich gar nicht ein, da es schon dunkel wird und wir trotzdem nicht triften, bleiben wir, der Ankeralarm warnt uns, wenn wir doch Meter machen sollten.
Eine ruhige Nacht, wir machen uns in der Früh bereit um in die Marina Vila Real de Santo Antonio zu fahren, wollen uns mit Harry und Andrea treffen und von dort aus Landausflüge machen. Etwas Nebel über der Flussmündung und eh man sich's versieht zieht es zu, Sicht gerade mal  zehn Meter, wir tasten uns mit GPS und Tiefenmesser den Fluss abwärts, in der Marina bekommen wir dann zum Glück einen Platz, den wir, dank etwas besserer Sicht auch sehen.

Portugal wäre erreicht, jetzt noch zum Hafenbüro, denn man muss eine Leuchtfeuersteuer bezahlen, sonst könnte man empfindliche Strafen aufgebrummt bekommen und, als gebrannte Kinder, wissen wir das jetzt zu verhindern. Also mit allen Papieren auf zum Hafenbüro. Die Beamtin weiß auch gleich was wir wollen, kopiert, füllt Formulare aus, tippt in den Computer, ... eine recht aufwendige Prozedur, wir leisten unsere Unterschrift und erhalten das gewünschte Papier, gilt für ein Jahr. Der Schildbürgerstreich an der Sache - wir zahlen 2 Euro, welch Einnahme für den Staat, an den Strafen verdienen Sie bedeutend besser, vielleicht wird man deswegen nicht offiziell informiert.

In der Marina legt man an einem im Fluss schwimmenden Ponton an, man wird zusätzlich mit Springleinen gesichert und steht gut. Leider mussten wir uns einmal verlegen, weil der uns zugewiesene Platz einem Kat gehörte und dieses Manöver fand bei heftiger Strömung statt. Dank Unterstützung des Marinapersonals hab ich es ganz gut geschafft, nur der Lifesling hat wieder mal dran glauben müssen, der hängt da hinten wirklich ungünstig, die Tasche ist aufgerissen. Kleiner überschaubarer Schaden und wieder was dazugelernt.
Genug Seglerlatein, für uns ein einnehmender Teil unseres Alltages, immer Stoff darüber zu berichten und doch sollte es nur helfen voran zu kommen, zu reisen.

Jetzt ist auch die Zeit dafür, wir können am Schiff wohnen und von hier aus mit dem Auto alle Städte der Umgebung besuchen. Jeden Tag ein Ausflug, bis zu 12 Kilometer laufen wir durch Städte, Ausgrabungen, zu Festungen und Aussichtspunkten, so wird man auch müde bis zum Abend. Die Algarve und das Hinterland bieten viele verschiedene Eindrücke, vom kargen Hügelland, ausgedehnten Korkwäldern, Wein- und Obstanbau, ruhige Dörfer und Touristenhochburgen. Die Küstenstädte haben alle ein nettes Zentrum, Markthallen mit großer Auswahl, die uns aber am Wochenende verwehrt geblieben sind und jede Menge hässliche Bauten, Bausünden aus den 60 er und 70 er Jahren. Santo Antonio ist überhaupt im Baukastensystem, am Reißbrett entstanden, weil man Ayamonte auf der spanischen Seite des Flusses zeigen wollte wie toll man nicht ist. Der Grenzfluss Guadiana hat noch einige Spiegelbilder-Orte, jeder mit Festung zur Verteidigung. Heute sausen Touristen mit Seilrutschen von Spanien nach Portugal, Paddler, Segler und Fähren teilen sich den Fluss. Keine Grenzkontrollen mehr, hier etwas im Hinterland ist es sehr gemütlich, angenehm und billig zu verweilen.

Von Vila Real de Santo Antonio aus erkunden wir nun die Küste bis Faro. Die Lagune, das Naturschutzgebiet erstreckt sich bis dorthin, dann folgen lange Sandstrände, weiter gegen Westen wird die Küste wieder felsiger mit Sandbuchten, die kleine, nette Orte verstecken, teilweise sind sie aber kaum zugänglich. Am Cup São de Vicente dann Felswände über hundert Meter hoch. Dieser Teil der Küste bietet kaum sichere Ankerplätze, für Segelyachten stehen vier Marinas zur Auswahl, alle zwischen 40 und 50 Euro pro Tag. Nachdem wir ja noch fast einen Monat hier bleiben erkunden wir alles genau, wir brauchen sichere Ankerplätze und wollen auch mal ein paar Tage in einer Marina das Schiff abstellen. Das Revier stellt uns vor neue Herausforderungen, wir sind das erste Mal in einem Tidengewässer unterwegs, zwei bis drei Meter Unterschied zwischen Ebbe und Flut, damit verbunden bis zu drei Knoten Strömung in den Einfahrten, den Flussmündungen. Dazu kommt noch Strömung der Flüsse und Strömung, die durch den Wind erzeugt wird. Alles kann sich summieren oder aufheben, Rechnungen mit vielen Variablen, für uns mit einigen Unbekannten, so gelingt es uns immer wieder seglerisch bei voller Fahrt fast zu stehen, oder im günstigeren Fall ohne jedes zutun hurtig voran zukommen. Mein Trost, wir werden es durchschauen bis wir das Revier wieder verlassen, bis dahin zahlen wir Lehrgeld.

Zurück zu den Ausflügen, genial geplant verlegen wir uns für den westlichen Teil der Algarve in die Marina Villamoura. Nobel stehen wir in der Flaniermeile und genießen geräumige, saubere Toilettanlagen und Security für unser Boot, wenn wir es zurück lassen. Besonders eindrucksvoll und bewegend war das Cup São de Vicente, der südwestlichste Punkt Europas, mit dem weitreichendsten Leuchtfeuer, Blick Richtung Karibik, dazwischen ist nichts mehr außer Wasser.

Portugal, hier verabschieden wir uns von Europa, so bewusst ist uns das bisher nicht geworden und noch haben wir ein paar Wochen Zeit, aber das Gefühl stellt sich ein, irgendetwas drängt schon hinaus auf das offene Meer. Vielleicht ist es das Gefühl der Zugvögel, Stefan von der Chenoa, Walter und Karolina von der Toroa, alle sind sie schon raus gesegelt zu den Kanaren, sie alle haben Portugal steuerbord liegen lassen. Oder ist es das Eigenartige der Reise, immer wo hin und selten wo bleiben zu wollen? Kann man sich dem Getriebenen, Gehetzten entziehen?

Für mich ist Portugal, ein europäisches Land, welches ich noch nicht von früheren Reisen kenne. Alles bisher erlebte sehr sympathisch, touristische Orte erkennt man von der Weite an den Hochhäusern, sieht aus wie Lignano und Co, die anderen Orte wie Olhao, Faro, Tarifa oder auch Lagos sind lebendig, eine Mischung aus lokalem Leben und Tourismus, Sommerfestivals, Konzerte, auch immer wieder Fado Musik, typische portugiesische Klänge. Als nette Zugabe unserer Ausflüge ins Hinterland gibt es frische Feigen, Mandeln und Knoblauch, jeden Tag entdecken wir andere wilde Erntegründe, mal sehen was der Herbst noch so alles bringt. Und für alle, die ruhige Urlaubsorte suchen, auch die gibt es hier, Salema ist so einer. Kleiner beschaulicher Ort, netter Sandstrand, nicht überfüllt, der Nachteil hier ist, dass, sagen wir mal erfrischende Badewasser, 16 bis 20 Grad und der Nordwestwind, der auch eher kühlend daher kommt.
Wenn man das Strandleben länger beobachtet sieht man auch kaum Badende, man geht kurz abkühlen wenn man von der Sonne gut aufgeheizt ist, so wie in der Erlauf und die Gefahr der Strömung kann sich auch vergleichen lassen.

Die Tage mit meiner Schwester und Schwager vergehen viel zu rasch, sie brechen schon wieder Richtung Lissabon zum Rückflug auf, wir verlassen Villamoura wieder Richtung Lagune von Olhao, der Segeltag beschert uns unseren ersten großen Fang, zehn Makrelen, frisch geräuchert der absolute Genuss.