Erstes Ziel Kreta

Die erste Nacht am Wasser, ruhig, ganz leichte Bewegung im Boot, ein angenehmes schaukeln, auch das Knistern und Glucksen am Rumpf ist wieder zu hören. Wir sind so müde von der Tagesarbeit, dass wir rasch tief schlafen, erst nach Mitternacht wachen wir auf und brauchen etwas Zeit uns zu orientieren, es regnet wieder, es brasselt ganz schön auf´s Deck, aber es kommt kein Wind auf, alles ruhig und so schlafen wir mit gutem Gefühl weiter. Die Temperaturen bewegen sich langsam Richtung Frühling, auch in der Nacht ist es ohne Heizstrahler schon gut auszuhalten. In der Früh dann wieder Sonnenschein und so ab 10 Uhr erwärmt einem die Sonne nicht nur äußerlich, ein wunderschöner Tag, auch die Seele bekommt was ab. Freude kommt auf, gemischt mit der Anspannung vor dem ersten Auslaufen. Es ist wenig Wind angesagt, eh gut für den Start, also raus aus der Bucht und Kurs 240 Grad, Richtung Leonidion. Bei der Überfahrt dann doch ein recht kräftiger Wind, leichte Welle und dazu passend auch die Schiffsbewegung, alles vertraut und doch wieder gewöhnungsbedürftig. Ich steuere um das Boot wieder zu spüren, denn die Segel trimmt man danach wie das Boot im Ruder liegt und reagiert, so tauche ich ein in den Rhythmus der Fahrt. Es geht über einige Zeit mit bis zu 9 Knoten dahin, echte Spitzengeschwindigkeiten, sonst so um die 7 Knoten, auch recht ordentlich, ich bin zufrieden und lassen mich von der Stimmung inspirieren. So soll Segeln sein, ein Genuss, die Weite, das Glitzern des Meeres, der Himmel, auf dem man stundenlang den ziehenden Wolken zuschauen kann, eine Trance, in der die Zeit stehen zu bleiben scheint oder vergeht, ohne dass man es merkt. 
Leonidion ist unser erster Hafen weil man hier wirklich gutes Trinkwasser von den Bergen bekommen kann. Wir kennen den Hafen vom letzten Jahr, da hat uns hier eine amerikanische Charterflotte überrascht. Der Hafen ist klein, diesmal sind wir mit zwei anderen Booten alleine am Kai, wir gehen längsseits, sollte jetzt im Frühling kein Problem sein. Von den wenigen Lokalen haben gerade einmal zwei geöffnet. In Dolphins Restaurante sitzen wir auf der Terrasse, genießen Weißwein und Vorspeisen, zuletzt werden wir noch mit einem Kräutertee der Region verwöhnt. Der Wirt gibt sich echt Mühe, die Gastfreundschaft ist beeindruckend. So haben wir Griechenland von letztem Jahr noch in Erinnerung, schön es wieder so zu begrüßen.

Von jetzt an ist der Wetterbericht wichtiger als Tagesnachrichten, nicht nur die Vorhersage des laufenden Tages, sondern besonders auch die Fronten, die in regelmäßigen Abständen durchziehen. Wir haben einen Tag mit Südwinden vor uns, da wir Richtung Süden müssen, also gegen an, was bekanntlich nur mit Kreuzen geht, warten wir lieber auf, für uns besser passenden Wind. Ein ausgiebiger Radausflug fordert unsere Muskeln und Kondition, sogar die Küstenstraße hat Unmengen an Steigungen eingebaut, da zieht sich jeder Kilometer. Bleibt genug Zeit das Panorama zu genießen und Fotopausen sind auch nicht unwillkommen. Erste Aktivitäten der Reise, der Rhythmus kommt zurück und wir beginnen uns zu entspannen. Nächstes Ziel Monemvasia, eine überschaubare Strecke, da aber erst gegen Nachmittag Wind aufkommt, wird es doch später am Abend bis wir an der Mole anlegen können. Wir sind mit dem Beginn einer Schlechtwetterfront hergekommen, in den nächsten Tagen wird es bis zu 80 km/h Wind geben, so viel brauchen wir nicht zum Segeln, also wieder abwarten. Aber auf was? Wenn die Front durch ist, kommt ein Tag Flaute, dann eine Front aus Süden, die sicher auch nicht angenehmer ist. Die vorgesehenen Häfen auf Kythira sind nicht sicher genug, also doch besser gleich durchrauschen nach Kreta. Sind so um die 120 Seemeilen, also in einem Tag und einer Nacht zu schaffen. Wir blättern die Wetterkarten im Internet vor und zurück, schauen uns auch die Winddrehungen an, rechnen mit unterschiedlichen Durchschnittsgeschwindigkeiten und dann fällt die Entscheidung, wir müssen noch mit der Front los, gleich morgen früh, sonst hängen wir hier sicher einige Tage fest. So am hinteren Zipfel der Front, mit langsam schwächer werdenden Winden, sausen wir auf unser Ziel Kreta zu, leider nicht direkt, der Wind zwingt uns einen Leebogen auf. Die Nacht ist mondhell, angenehmer Wind, kaum mehr Welle, trotzdem können wir beide in unseren Freiwachen nicht wirklich schlafen, alles noch zu aufregend, die Anspannung hält uns wach, deshalb vergeht die Nacht auch rasch. Die Sonne zwängt sich zwischen den Wolken durch und weist uns, so gegen acht Uhr den Weg in den Hafen von Chania. Geschafft, Kreta ist erreicht. Chania ist vereinsamt, einige Lokale stellen gerade die Sessel auf, massenweise, so als würden sie einen großen Ansturm erwarten. Unsere erste Runde im Hafenviertel, ein ausgestorbener Ort, alle Geschäfte geschlossen, hier ist der erste Osterfeiertag, Sonntag, alles scheint zu schlafen oder vielleicht in der Messe zu sein. Zu kaufen gibt es heute nichts, kein frisches Brot, also zurück zum Boot und Vorhandenes frühstücken.

Wir liegen mit Heck an der Mole, ein Logenplatz zum Land, der sich dann auch als solcher hervortut. So gegen Mittag beginnt das Treiben, massenweise Familien mit Kleinkindern, Paare, Jugendliche, Pensionisten, also eigentlich die ganze Stadt flaniert mindestens einmal vorbei. Kaum mehr freie Plätze in den Lokalen und Musik erfüllt die Luft. Viele bleiben vor unserem Schiff stehen und schauen ziemlich ungeniert zu uns rüber. Mir kommt so ein Gefühl von Zoobesuch auf, wer gafft da wen an? Die Affen im Käfig die Menschen oder die Menschen die Affen? 
Wir verziehen uns zwischendurch hinunter ins Schiff um nicht so in der Auslage zu sein und später beteiligen wir uns, werden ein Teil des Schauspiels. Wir sind die, die mehrmals täglich mit den Fahrrädern durch die Menschenmenge kurven und uns regelmäßig im Einbahngeflecht der engen Altstadtgassen verfangen. Es ist schön hier, alles was wir als Ausgangspunkt für unsere Ausflüge brauchen vorhanden, wir bleiben.

 
Hier gibt es eine Toilettenanlage mit Dusche, alles ein bisschen abenteuerlich, mit aus Draht gebastelten Kleiderhaken, das Abwasser findet nur zum Teil den Weg in den Abfluss, der Rest verteilt sich auch außerhalb der Dusche auf dem Boden, daher waten wir mit Gummischlapfen, schon deutlich sauberer als vor der Duschaktion wieder von dannen. Es scheint uns Menschen was zu fehlen wenn man keinen Rhythmus findet, so gliedern auch wir uns wieder in unser Reiseleben ein. Die nächste Schlechtwetterfront, heftiger Wind aus Nord ist angesagt, der Hafenmeister rät uns das Schiff mit zwei Mooriges zu sichern und abzuwettern. Wir nehmen Strom um den Heizstrahler wieder bemühen zu können, denn es kühlt wieder empfindlich ab. Die ersten Besorgungen, hier müssen wir jetzt wirklich neue Bordbatterien kaufen, lassen sich in der Stadt gut organisieren, ein ausgiebiger Radausflug geht sich auch noch aus, dann ziehen wir uns zurück ins Boot, heizen ein und warten bei einem Glas Wein, Wind und Regen ab.