Teneriffa

Sechzig Meilen sind es nach Los Gigantes, fast hundert, wenn wir kreuzen müssen und so ist es auch. Hinter uns, über La Palma braut es sich schwarz zusammen, es schüttet, blitzt und donnert. Wir bekommen auch noch etwas Regen und wechselnde Gewitterwinde ab, aber angesichts dieses Unwetters, gut erwischt. Der Wind hält durch, wir können bis vor die Einfahrt der Marina segeln, melden uns über Funk an, Steg vier ist ein Platz für uns, bereiten Fender und Leinen vor und dann rein in die wirklich enge und verwinkelte Einfahrt. Dieser Moment ist immer der spannendste, denn man sollte jederzeit stoppen können und gezielt zu dem Platz hin motoren, den man im Gewirr von Booten erst suchen muss. Zur Draufgabe kommt dann noch ein großes Ausflugsboot welches sich vorbei an seinen Platz drängt und der uns zugewiesene Steg hat einige freie Plätze, keiner da, der uns sagt welchen wir nehmen können. Also nehmen wir einen, der für uns günstig zum Einparken liegt, befestigen das Boot und sind erstmal froh gut angekommen zu sein. Die Kulisse der Steilküste, in die der Ort Los Gigantes hineingebaut ist, ist eindrucksvoll, der Ort selbst eine Ansammlung von Apartmenthäusern und Hotels, die Hafenzeile überschaubar, alles sehr ruhig für einen Touristenort. Im Hafen hauptsächlich private Motorboote und die gesamte Palette an Ausflug- und Wassersportangeboten. Die Stege versperrt, im Hafenbüro meldet sich niemand mehr am Funk, also sitzen wir mal am Boot und warten bis wir daraus können um uns anzumelden. Gelingt dann auch und auf unsere Frage nach den Öffnungszeiten, ein überzeugtes, das Büro ist sieben Tage die Woche, 24 Stunden besetzt, aha. 
Irgendwie ein komischer Hafen, in der Nacht wird sogar das Licht auf den Stegen abgedreht, die Lokale sperren so ab sieben am Abend, also wenn hier wer arbeitet, dann  heimlich im Dunklen. Eine private Marina, irgendwie unentspannt, eine der teureren auf den Kanaren und dann geizen sie mit dem Internetzugriff und können von der Infrastruktur mit den städtischen Häfen kaum mithalten. Auch für die Dauerlieger und die Ausflugsboote sind sie unverschämt teuer, die können schlecht weg, also kann man sie ausnehmen. Für uns passt es aber trotzdem, wir liegen sicher und treffen uns täglich mit Eva Maria, Günther und Kilian, die hier einen Kurzurlaub machen, mit denen wir uns hier verabredet haben. Johann, ein Freund von ihnen hat hier sein Boot liegen, ein Offshore Racer mit weit über 1000 PS. Leider macht ein Motor etwas Probleme, die Männer fahren gleich mal zur Diagnose aus, dann hängt Johann im Motorraum und repariert. Robert ist oft bei ihm, denn der Fehler ist nicht so leicht zu finden und das rum schrauben, wenn man nirgends gut dazu kommt mühsam, da ist Unterstützung kein Fehler. Das Boot soll rasch wieder flott sein, denn er macht damit exklusive Trips für gut zahlende Gäste. Viele der Ausflugsboote hier im Hafen haben früher ihm gehört, er hat das Geschäft, der ein bis drei Stunden Trips, raus zu den Klippen, Delphin- und Walbeobachtungen anderen überlassen. Die Konkurrenz wird zunehmend dichter, für 15 Euro kann man schon mit, da ist nicht mehr viel zu verdienen. Am Kai sind die Stände an denen man buchen kann, wir werden auch gleich angesprochen ob wir nicht einen Segeltrip  mitmachen wollen. Witzig, sind grad 24 Stunden unterwegs gewesen, kein Bedarf an einer drei Stunden Runde. Kann sie natürlich nicht wissen, aber wir merken, dass wir hier nicht ins Konzept passen, sind auch die Einzigen die hier auf dem Boot leben.
Montags, am Weg zum Supermarkt, jeder mit Rucksack ausgerüstet, wir müssen den Einkauf ja schließlich den Berg wieder runter tragen, werden wir auch wieder angesprochen ob wir bei den organisierten Schluchtwanderungen mitmachen wollen. Wir schauen sichtlich wie Wanderkunden aus, sind aber heute keine.

Jetzt ist es wieder warm, Badewetter, Kilian motiviert uns das SUP wieder aufzublasen und rasch sind wir damit unterwegs. Kilian ist ein begabter Paddler, schafft es auch stehend gut voran zu kommen. Am lustigsten ist es aber als Erwachsenentransport, da geht es am besten mit zwei kurzen Paddeln. Sind wir auch erst drauf gekommen nachdem Günther einige Male das Paddel von Kilian über den Kopf gezogen bekam, was er irgendwie nicht witzig fand. Mit jedem Tag Nordostwind nehmen die Wellen zu, es wird zunehmend anspruchsvoller mit dem SUP aus dem Hafen raus, zum dahinter liegenden Strand zu paddeln, dienstags ist es uns dann wirklich zu stürmisch, wir genießen den Strand und das Wellenspringen, die Brandung kommt hier mit großen weißen Schaumkronen daher und hat Kraft einem die Füße wegzuziehen und einem mitzuschleifen. Wir haben Zeit ausgiebig zu quatschen, da wird Frauen bekanntlich nie fad, die Zeit immer zu kurz. Mittwochs müssen wir weiter, denn ab Donnerstagmittag lässt der Wind wieder aus und hohe Welle ohne Wind kennen wir schon von Mallorca, geht gar nicht. Eva Maria konnte mir ein paar Dinge aus der Heimat mitbringen und kleine Geschenke an Freundinnen und KollegInnen mitnehmen. Mitsegeln war diesmal nicht möglich, denn die Strecke Mittwoch ist zu lang und zum kurz rein und rausfahren ist der Hafen, der Wind und die Wellen auch nicht einladend. Die Ausflugssegelboote motoren ihre Kundschaft ein Stück die Steilküste entlang, da sind immer ungünstige Winde und so weit raus, dass man gut segeln kann, kommt man in drei Stunden hin und retour nicht. Ein gemeinsames Nachtmahl an Bord lässt alle das Segelbootlebensgefühl spüren, das Geschaukel ohnehin nicht jedermanns Sache, trotzdem ein sehr gemütlicher Abend. Schön, dass auch Johann und seine Freundin Larissa bei diesem Abschiedsessen dabei waren, ein letztes Mal vor der Überfahrt mit Freunden aus der Heimat zusammen sitzen, man spürt den Abschied, die Weite, die Distanz. Und danke an Johann für die zwei warmen Pullover, die er uns mitgebracht hat, werden uns in stürmischen Zeiten wärmen und uns an die schöne Begegnung erinnern. 
Mittwoch ist es dann soweit, in der Nacht kam die Gischt schon über die Hafenmauer, die Welle drückte in den Hafen und an der Einfahrt rollen Riesenwellen mit weißem Kamm vorbei. Kann man da überhaupt raus? 
Wir bereiten alles vor, zahlen und beobachten, wie die Profis hier tun. Bei wenig Wind, mit gut vorgewärmtem Motor starten wir dann und schießen mit, für uns Vollgas, durch die Brandungswelle weg von der Hafenmauer, Felsen und Strand. Draußen riesen Wellen und noch zu wenig Wind zum Segeln, wir motoren mal gegen Norden und können uns die Küste wie von  den Ausflugsbooten aus anschauen.

So nach einer Stunde geht es dann los, Wind und Welle passen gut zusammen, wir reffen und rauschen dahin, leider wieder auf Kreuzkurs, der Wind will uns nichts schenken und so sehen wir das Leuchtfeuer Teno und auch das nächste Huk unangenehm lange. Erst gegen sieben erreichen wir den Hafen Garachico, der Hafenmeister am Funk rät uns ab bei diesen Bedingungen den Hafen anzulaufen, zu gefährlich, irgendwie haben wir es ja vermutet, jetzt muss Plan B her. Wir wenden, weg von der Küste raus in die dunkle Nacht. Nachfahrt, kreuzen um, wenn der Wind durchhält morgen irgendwann in Santa Cruz anlegen zu können. War nicht unser Traumhafen, ist aber die beste Alternative für die Urlaubswoche mit meinen Eltern. Die letzten Besorgungen und das Ausklarieren (abmelden) von den Kanaren und Europa ist in Santa Cruz auch gut möglich.

In der Nacht muss dann sogar das zweite Reff rein, der Wind legt zu, wir segeln bis zu 6,5 Knoten hart am Wind, mit unserem Wendewinkel und der Abtrift, die durch die Welle noch verstärkt wird, kämpfen wir um jede Meile in die richtige Richtung. In der Früh fehlen immer noch 15 Meilen bis zur Nordostecke von Teneriffa um die wir rum müssen. 
Auf direktem Kurs hätten wir Santa Cruz schon erreicht, so brauchen wir noch den ganzen Tag, es segelt sich gut, also was soll`s.
Segellektionen: füge dich, habe Geduld, Sicherheit geht vor Komfort und man kann nicht immer mit der Welle surfen, manchmal muss man auch mühsam gegen an. Wir kreuzen uns mühsam um das Huk herum, den letzten Schlag würden wir gerne mit Motor unterstützen, doch leider versagt der Motor. Stress pur, wir wenden gleich mal weg von der Küste, Sicherheit und Zeit um den Fehler zu finden und zu reparieren. Der Motor stottert und stirbt ab. Die Tankanzeige zeigt, kein Sprit und vielleicht sind auch die Filter verlegt. Robert füllt die letzten zwei Reservekanister nach, was bei der Welle ein akrobatischer Akt ist, schaltet auf den zweiten Filter, kurzes Gestotter, dann läuft der Motor wieder wie immer, zurück auf Kurs, jetzt ist die Nordostecke von Teneriffa problemlos zu umsegeln, doch es dauert nicht allzu lange dann schläft der Wind ein, so wie für Donnerstag vorhergesagt, also doch noch zwei Stunden motoren bis zum Hafen in Santa Cruz, wie gut, dass der Motor wieder läuft und wir auch genug Sprit haben. 
Und dann, das Wasser hat sich schon beruhigt sehe ich neben dem Schiff eine Flosse im Wasser, ich glaub es kaum, Robert schaut auch und wir beobachten eine lange Zeit den ersten Hai, der uns patrouilliert und natürlich unsere Angeln beäugt. Das Tier ist zirka eineinhalb Meter lang, wir wollen es auf keinen Fall an der Angel haben, zu groß und eben Hai, steht nicht auf unserem Speiseplan. Er hat es verstanden und zieht ab, wir stehen mit gemischten Gefühlen da.

Der Hafen zieht sich einige Seemeilen lang und die Einfahrt zum Yachthafen ist ganz im Süden, danach muss man wieder eine halbe Meile zurück, wir legen kurz vor Einbruch der Dunkelheit nach 36 Segelstunden an. Hier helfen die Marineros beim Anlegen, das Büro ist besetzt, Schlüssel und Magnetkarten für die Toilettanlagen rasch organisiert. Eine schöne Anlage um 20 Euro pro Nacht, wir schlafen die nächste Nacht gut.
In der Früh dann Touristenbüro, Busfahrpläne, Straßenkarten, Leihauto, samstags kommen meine Eltern schon zeitig in der Früh, da holen wir sie am besten mit dem Auto vom Flughafen und die Ausflüge sind auf der doch recht großen Insel zu viert auch mit dem Auto am bequemsten und günstigsten. Samstag ist ankommen und ausrasten am Programm, ab Sonntag ziehen wir dann los.

Zuerst eine Runde in den Norden, steile Küsten, entlegene Orte, die bis 1966 noch ohne Straße waren und ankommende Schiffe mit ihrem Wein, Obst und Gemüse, welches sie auf Terrassen anbauten, versorgt haben. Jedoch ohne Hafen, sie brachten mit Ruderbooten die Fracht zu den vor der Küste ankernden Schiffen, auf Schautafeln und Bildern kann man die abenteuerlichen Aktionen bestaunen. Die Wellen schlagen über die Felsen und eh man davon springen kann, hat man schon eine Salzwasserdusche abbekommen. Die Landwirtschaft hier an den Hängen und das abgeschiedene Leben kann man in den kleinen Dörfern noch erahnen. Auf den alten Wegen lässt sich das Gebiet gut durchwandern. Wir fahren aber auf den engen kurvenreichen Straßen zu den Orten, am Bergrücken entlang schlängelt sich die Verbindungsstraße, die dann durch den Lorbeerwald hinunter in die Hochebene führt, nach La Laguna und zurück nach Santa Cruz. 
Den sonnigsten Tag nutzen wir um die Hochebene um den Teide zu besuchen. Tatsächlich schauen wir hinunter in ein Wolkenmeer, der Gipfel manchmal umspielt mit Wolkenfetzen, aber immer gut zu sehen. Das Touristenzentrum informiert ausführlich über die Entstehung der Inseln, den Vulkanismus, Fauna und Flora. Zurück durch den Föhrenwald, immer wieder schöne Ausblicke auf das Meer und die Ortschaften. Wir kommen immer knapp vor Einbruch der Dunkelheit zurück und die ist hier so gegen sieben abends. Ein Highlight war am nächsten Tag der Besuch eines der ältesten botanischen Gärten weltweit. Seit 1788 werden hier exotische Pflanzen kultiviert, sie sollen sich an das kanarische Klima anpassen, was die, die wir heute bestaunen dürfen auch gut getan haben. So viele riesige Bäume, Palmen, Früchte, Blüten, alles neben einander, gut beschriftet, sodass man schön langsam die eine oder andere Pflanze erkennt. Uns interessieren die mit essbaren Früchten am meisten, sollten wir ja auch später auf unseren Wanderungen erkennen um ernten zu können. Mein Vater war natürlich voll in seinem Element, hat Samen geklaubt und viel mit notiert, hier gibt es so viel endemische Pflanzen, die auch er noch nie gesehen hat. Ein Abstecher nach Garachico geht sich an diesem Tag auch noch aus, hübscher Ort und der Hafen mit riesiger Kaimauer. Wenn man mal drin ist, steht man gut, die Einfahrt allerdings wirklich ein 90grad Haken in meterhohen Brandungswellen bei Nordwinden echt gefährlich. Wir stehen jetzt hier bei ruhiger See, so wäre es kein Problem hier einzulaufen, zu spät für uns, aber angesichts der weiten Fahrstrecke hier her und der geringen Infrastruktur sind wir nicht traurig doch in Santa Cruz gelandet zu sein. So erledigen wir die Woche das Service unserer Epirb Notrufboje und melden uns auch gleich aus Europa ab.

Die Besichtigung von La Laguna, dem naturhistorischen Museum in Santa Cruz und eine Runde in den Inselsüden gehen sich auch noch aus. Eine tolle Woche mit meinen Eltern, samstags dann Abschied, jetzt werden wir uns länger nicht sehen, aber sicher mit Internet in Verbindung sein. Zu Hause ist es schon früh dunkel, ungewöhnlich warm für den November, noch ein paar Wochen bis zum Advent und keine zwei Monate bis zum Jahreswechsel. Nicht dass wir in Weihnachtsstimmung wären, aber Dezember ist unser Monat, da wollen wir rüber nach Barbados. Wir bereiten uns auf die Überfahrt vor, die Anspannung steigt. Noch letzte Einkäufe, einmal auf den Mast alles kontrollieren, ein Schäkel muss tatsächlich ausgetauscht werden, das Decklicht ist ausgefallen, kann so rasch nicht ersetzt werden, ist aber ohnehin entbehrlich.

Dienstag Start nach El Hierro, die Insel am Ende der Welt, die südwestlichste der Kanaren . Dort werden wir je nach Wetter ein bis zwei Wochen bleiben, dann die nächste lange Überfahrt nach Mindelo auf den Kap Verden. Vorbereitet sind wir, alles oftmals durchdacht, kontrolliert, besprochen, trotzdem ist Robert vor jedem neuen Start sehr angespannt, schläft schlecht und tagsüber ist ihm manchmal leicht übel. Ich werde vor jeder Herausforderung konzentriert und ruhig, mir scheint der Umgang mit der Ungewissheit nicht so viel Sorgen zu bereiten. So wie früher im Job, gut vorbereitet wird man schon richtig reagieren wenn gefordert und bis jetzt hat es auch gut geklappt. Jetzt ist unser Vertrauen in uns und unser Schiff gefragt, Zeit zum Üben haben wir ja jetzt genug.