Balearen

Jedes neue Ziel muss erst einmal erreicht werden, wieder steht uns eine Überfahrt bevor, 200 Seemeilen.

Unser Reiserhythmus schenkt uns erneut Vollmondnächte, zwei werden wir unterwegs sein.

Da Mittwoch und Donnerstag ein relativ konstanter Wind angesagt ist und der angenehmerweise mal von hinten, beschließen wir Dienstag von Sardinien aufzubrechen. Diesmal ist es Robert der schon um sechs in der Früh meint, Wind wir können fahren. Also Anker auf und los, um neun stehen wir das erste Mal, null Wind, die gesamte Küste Sardiniens liegt hinter uns, die Fabriken von Portoscuso und der rotweißrotgestreifte Schlot sind noch gut zu sehen. Dann am Nachmittag erneut eine Brise, interessanterweise aus West, also gegen uns, war nicht angesagt, aber wir kommen langsam voran. Beim Stehen treibt es uns nämlich kontinuierlich wieder nach Sardinien zurück, eine Nervenprobe, sich dem hinzugeben und abzuwarten. Laut Wetterbericht kommt in der Nacht dann Wind, das hält unsere Moral aufrecht und wir sitzen den Dienstag aus. Das Meer ist glatt und tiefblau, die Sonne zeichnet helle Strahlen in die Tiefe, die sich irgendwo im Unendichen treffen, ein tiefes Schwimmbecken, in das ich nur kurz zur Abkühlung an der Leiter reingehe. Rund um uns auch einige Beweise, dass da Leben drin ist, zwei richtig große Fische und ein kleinerer springen in Reichweite vom Boot aus dem Wasser, keiner macht Anstalten an unserer Angel zu beißen, echt traurig.

Wie versprochen stellt sich dann der Ostwind ein und wir segeln mit unserem Gennaker in die erste Nacht. Abgesehen vom etwas mauen Start eine fast perfekte Überfahrt, davor zwei Tage gemütlich vor der kleinen Insel Piana, genug Zeit zum Baden, Lesen und Schiff klar machen. Die Insel  ist privat, betreten verboten, regelmäßig bringt ein kleines Fährboot Leute und holt andere wieder ab. Unsere Phantasien sind beflügelt, eine Hotelgesellschaft, eine Sekteninsel? Wir haben unser italienisches Internetkontingent verbraucht und können daher nicht recherchieren was sich da vor uns abspielt und die sind zugeknöpft bis oben hin und haben auch kein freies Netz für uns zum Anzapfen. Also Neugierde zügeln und warten bis wir in Spanien das Rätsel lösen können. Es ist eine noble Hotelinsel.

Das nächste Buch aus meinen mitgebrachten Beständen ist das Buch über das Leben. Ein Paar reist für zwei Jahre um die Welt und besucht die ältesten Menschen um mit ihnen zu sprechen und deren Erfahrungen zu sammeln. Ihre Altersgrenze liegt so bei 90 plus, am liebsten sind Ihnen natürlich über  Hundertjährige, die sind dann aber doch schon rar, besonders wenn sie noch fit sein sollen. Wenn man bedenkt, dass Roberts Vater auch schon 88 ist und zwei Wochen Segelurlaub genossen hat, haben wir ein eigenes Beispiel von aktiven älteren Menschen gerade gemeinsam gelebt. Auch wir haben zugehört und Erinnerungen an seine Jugend, die Zufälle des Lebens, die Geheimnisse sich fit zu halten, erfahren. Jede Geschichte ist anders und man kann unter den widrigsten Umständen alt werden, es ist sicher zum Teil Genetik, Lebensstil vielleicht, Lebenseinstellung sicher. Und eine Überzeugung spürt sich für mich immer richtiger an, man muss seinen Weg gehen und Wünsche und Träume leben, sonst macht es keinen Sinn alt zu werden. Und man sollte mit dem was man tut zufrieden sein oder was ändern, sonst nagt einem der Frust das Leben weg.
Die ruhigen Tage nach unserer doch recht hastigen Verabschiedung am Samstag am Flughafen lassen uns erst spüren wie besonders diese gemeinsame Zeit war, wie toll und bewundernswert es ist, dass unsere Eltern noch so fit und weltoffen sind und uns besuchen. Erst jetzt spürt man, dass es lange dauern wird bis wir uns wieder sehen werden, Abschied ist nicht ein Moment sondern ein Gefühl das einem immer wieder einholt wenn man Zeit und Ruhe hat. Das Meer, die Überfahrt ist der richtige Ort dafür. Meine philosophische Ader lässt dem Abschied, dem Gefühl was zurückgelassen, verloren zu haben Raum, einfach Abschied. Und ist es Zufall, mein nächsten Buch schlägt in dieselbe Kerbe und meint, dass es eigentlich eine Verbundenheit gibt, die über den direkten Kontakt hinaus geht und dass wir Menschen nahe haben, auch wenn sie am anderen Ende der Welt sind, gestorben sind oder gerade irgendwo am Ozean herumschaukeln. Meine Gedanken sind dann bei all meinen Lieben, FreundInnen und KolegInnen, würde mich gerne mit jedem\r einzelnen unterhalten und gemeinsam lachen, arbeiten, frühstücken, bangen, chillen,.... bin neugierig wie es euch allen geht, was ihr in der zwischen Zeit erlebt habt, was ihr vor habt, hab euch immer gerne zugehört, bin ruhiger geworden und kann noch besser zuhören, das hat sich bei mir schon verändert. Sonst bin ich leicht wieder zu erkennen, Menorca ist bereits am Horizont aufgetaucht und markiert unser nächstes Ziel und ich freu mich anzukommen und Mahon zu erkunden. Renn sozusagen schon wieder am Stand, voll Energie, die Müdigkeit der Nacht, war übrigens unangenehm von der Welle, sonst sehr mystisch, ist wie weggeblasen. Ich freu mich auf vier Wochen Balearen, zuerst Besuch von meiner Freundin Doris, dann von Valentina und Philip, los geht's.

Mahon ist einer der größten Naturhäfen mit einigen Inseln im tief eingeschnittenen Meeresarm und vielen Buchten. Rundum stehen Befestigungsanlagen, besonders an den Flanken Richtung offenem Meer, auch hier haben sich die Völker gegenseitig vertrieben und man liest, dass über 3000 Menschen in den unterirdischen Teilen der Befestigungsanlagen einer Belagerung getrotzt haben. Kaum vorzustellen wie das funktioniert. Jetzt ist alles friedlich, touristisch gut ausgebaut, für Boote gibt es einige Schwimmstege an denen man anlegen kann und Plätze in Marinas und am Hafenkai, alle eher teuer, also bleiben wir in der Ankerbucht nahe der Einfahrt. Hier stehen wir mit ca. 30 anderen Yachten sicher und können mit dem Beiboot nach El Castell fahren, von dort geht ein Bus nach Mahon, eine sehr nette Altstadt. Der Wanderweg an der Küste lohnt sich auch, zwischen den Buchten geht man an den mit Gras und Büschen bewachsenen Klippen entlang und hat einen wunderbaren Ausblick auf den gesamten Hafen. Wir nehmen ihn für den Rückweg. Schnell haben wir unsere neue Umgebung erkundet und können die wichtigen Informationen an Doris weitergeben und sie problemlos an Bord holen. Menorca, die ruhigste  der Baleareninseln ist sicher eine gute Wahl zu Beginn. Noch bemerken wir nichts vom Halligalli, für dass die Balearen so berühmt sind. Wir bunkern Spezialitäten, Gin, Käse und später auch Würste.

Montag - sollen wir noch bleiben und Mahon besichtigen oder weitersegeln? Was spricht der Wind, wo ist es günstig hinzusegeln? Eigentlich wollten wir die Buchten an der Südküste nehmen, bei Südwinden kein guter Plan also ein Stück die Ostküste rauf und ankern in einer türkisen Badebucht, Cala Arenae de Castell. Die Ferienanlagen und das Treiben am Strand, das bunte Bild der Tretbootfahrer und anderer Wassersportler sind schön zum Anschauen und nicht störend. Wir schmeißen uns mit dem SUP in die Menge, paddeln zum Einkauf und Café an Land. Robert entdeckt einen Oktobus, der aber zu tief in die Höhle verkrochen ist um ihn zu jagen, also doch Meeresfrüchte aus dem Kühlregal.

Ein perfekter Einstieg, ein schöner Badetag. Am nächsten Tag wieder die Entscheidung, weiter Richtung Nordküste oder zurück an die Südküste? Wir entscheiden uns für Norden und steuern als nächstes Fornells an, ein Fischerdorf ebenfalls in einer tief eingeschnittenen Bucht, gut geschützt und ausreichend Platz zum Ankern. Das Wasser ist allerdings bei weitem nicht so bezaubernd wie eben erlebt, der Ort auch nicht so toll wie nach der Beschreibung vermutet, aber auch das gehört zum Reisen dazu und ein gemütlicher Abend in einer Bar wird es trotzdem. Weil wir nun schon bei der Umrundung von Menorca sind, steuern wir als Highlight Ciutadella an. Hier kann man die Ankerbucht ca. drei Kilometer südlich, Cala Santandris empfehlen, etwas eng, daher Ankern mit Landleine, aber wieder türkis, eingerahmt von Felsen und Sandbuchten. Das Ausbringen der Landleine, welches Doris und ich mit dem Beiboot übernehmen, gibt wegen Leinensalat, der erst entwirrt werden will, ein sicher sehr amüsantes Hafenkino ab. Wir meistern unsere Aufgabe schlussendlich, Boot steht gut und wir können das Nachtleben der Stadt noch in Angriff nehmen.
Robert ist so nett und bleibt am Boot, sicher ist sicher. Ciutadella ab 22 Uhr ist unglaublich schön, lebendig wie südliche Städte bei Nacht eben sind, alles schön beleuchtet, die Geschäfte offen, die Bars gut besucht. Der Blick von der Altstadt auf die enge Hafenbucht, die einem Kanal ähnelt, ist eindrucksvoll, jeder freie Platz ist mit Booten belegt, da ist es wirklich unrealistisch einen Platz zu bekommen und bei der Nachfrage sind die Preise logischerweise hoch. Ich stell mir auch vor wie unangenehm die Hafenmanöver hier sein würden, kaum Platz zum Manövrieren und haufenweise Zuschauer, besonders super wenn dann was schief geht. Und dann gibt es hier noch die Welle, Rissaga, die sich durch Wasserstandschwankungen ankündigt, dann aber überfallsmäßig in die Bucht einläuft und alles was drin ist im Scheitel der Bucht an Land drückt. Da sind dann gleich mal hundert Boote beschädigt, liesst man, gut wenn man da nicht mitten drin ist. Die Nacht wird lang, wir laufen auch zu Fuß wieder zurück zu unserer Ankerbucht, vorbei an noblen Villen und am Fährhafen, einer weitläufigen Betonanlage ohne jedes Schiff drin und nebenbei im Altstadthafen das Gedränge, komische Welt.

Am nächsten Tag rauschen wir mit Gennaker raus aus der Bucht Richtung Mallorca, ein perfektes Fotomotiv, leider immer nur auf fremden Kameras. Bei gutem Wind sind die etwas über 30 Meilen schnell gesegelt, wir nehmen eine Boje vor Formentor nahe Pollenca, weil der Wind noch weiter recht heftig blasen wird und wir uns eine sichere und ruhige Nacht verdient haben. Zwei Wochen haben wir Zeit, dann müssen wir in Ibiza sein und Tina und Phillip vom Flughafen holen, Doris wird uns dort verlassen, ein gutes Timing, trotzdem immer wieder die Überlegungen wann gute Segeltage sind und wann es besser ist, wo gut zu stehen, zu baden oder auch etwas zu besichtigen. Welche Orte lohnen es angesteuert zu werden?

Soller ist einer, der aber dann leider nur unter Motor gegen hohe Welle zu erreichen ist. Diese ungute und strapaziöse Etappe hab ich mir eingebildet, Robert ist sauer, weil er ohnehin eher die Ostküste entlangsegeln wollte und viel Welle und wenig Wind vorhergesehen hat. Schlussendlich erreichen wir Soller zum Sonnenuntergang, liegen dort gut und können aus den Planungsfehlern wieder mal lernen. Insgesamt ist die Distanz an der Westküste deutlich kürzer und die Überfahrt nach Ibiza auch, den Rest bis zur Südspitze quälen wir uns mit einem Hauch von Wind entlang, wäre an der Ostküste auch sehr mühsam geworden. Die Ankerbuchten sind alle viel zu offen, so bleibt uns ein nächtliches Geschaukel vor Valldemosa nicht erspart. Erst hinter der Insel Dragonera in Sant Elm liegen wir wieder gut in einer großen Badewanne. Wir bleiben bis Donnerstag und genießen Badetage, aber auch einen Ausflug nach S Arraco und Port Andratx und zum Markt in Andratx.

Mittwoch, wir kommen Mittag wieder zurück vom Markt, noch Aufregung am Ankerplatz. Einige Yachten schaffen ihre Ankermanöver nicht und triften durchs Feld, verhaken sich an den Ankerketten, wir halten unsere Fender bereit und beobachten das Treiben. In solchen Situationen ist es gut an Bord zu sein und sich gegen anschleichende und vorbeitreibende Boote zu schützen. Unser Nachbar die Bel Motive wurde in Soller schon gerammt, ein Loch im Rumpf, der Verursacher hat Fahrerflucht begangen, jetzt kommt er schon wieder zum Handkuss, irgendwie zieht er Motorboote und kleine Segler an. Wir kommen ohne Schrammen davon, sind aber froh, dass sich die gefährlichen Typen am Abend wieder verziehen.

Donnerstag starten wir zur Überfahrt nach Ibiza, die dann, mangels Wind bis Freitagfrüh dauert. So kommt man wieder mal zu einer Nachtfahrt, diesmal ohne Vollmond, aber mit sehr schönem Sternenhimmel, ein Erlebnis, besonders für Doris, eine Überfahrt bei der alles gut klappt, keine besonderen Vorkommnisse, keine Probleme, aber leider wieder kein Fisch.

Sant Antoni auf Ibiza ist unser Ankunftsort, hier stehen wir bei südlichen Winden sicher und erreichen auch den Flughafen gut. Angekommen auf Ibiza, erster Eindruck, da ist viel los, zu unruhig, na das wird ja lustig. Mal sehen wie es sich entwickelt, zwei Urlaubswochen rund um Ibiza sind auf jeden Fall geplant und wollen gestaltet werden. Dazu aber später.