Malta

Sonntag Früh, einlaufen in Valletta, wir fahren auf die befestigte Stadt zu und suchen die Einfahrt in den Hafen. Valletta hat zwei große Naturhäfen, die Marina Msida, welche wir ansteuern, liegt im Hafen von Marsamxett. Ein erhebendes Gefühl, die Befestigungsanlagen werden immer gewaltiger, die Häuserfronten immer deutlicher, die weite Bucht mit ihren seitlichen Verzweigungen tut sich auf. Wir schauen von unten auf die riesigen Mauern und die Türme mit ihren Beobachtungsposten, in denen sitzt jetzt wahrscheinlich die Port Control, bei der wir uns angemeldet haben und die uns auch tatsächlich am Funk nochmals gerufen hat, wo wir denn bleiben. Wir gleiten langsam vorbei und genießen. Nach der Überfahrt, der letzten durchwachten Nacht, noch einmal konzentrieren für das Anlegemanöver, alles klappt gut, wir sind überwältigt.

Voll Tatendrang beginnen wir uns in der neuen Umgebung zu orientieren. Wo bekommen wir WIFI damit wir wieder Mails lesen und senden können? Das Marinabüro hat erst am Montag wieder geöffnet, bis dahin also keine weitere Unterstützung. Zur ersten Orientierung fahren wir mit den Rädern gleich mal in die Altstadt, dabei kommt uns etwas eigenartig vor... ach ja, hier ist Linksverkehr. Gleich nach der ersten größeren Kreuzung befinden wir uns auf einer Schnellstraße, die man nicht überqueren kann, auf der falschen Seite, als geisterfahrende Radfahrer. Wir retten uns auf den Gehsteig und versuchen unser Glück auf den Nebenstraßen, die wieder hauptsächlich verkehrte Einbahnen sind und hier wirklich extrem steil hinauf und hinunter gehen. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob mich das raufstrampeln mehr stört als das runter bremsen mit gekonntem Ausweichen der Schlaglöcher, die auch hier in Massen die Straße zieren.

Sonntag, die Wohnviertel sind wie ausgestorben, es gibt auch keine Menschen auf der Straße, nur in der Altstadt ist Leben. Touristen und Einheimische tummeln sich in der Fußgängerzone, am großen Fährhafen und auf allen historischen Plätzen. Straßenmusik, Sonne, südliche Atmosphäre, bei einem wunderschönen mittelalterlich anmutendem Stadtbild. Diese Stadt ist zu Recht ein UNESCO Weltkulturerbe. 
Wir rüsten uns mit Stadt- und Busplänen aus und radeln zurück zum Schiff. Weil wir irgendwie überdreht sind, voll Energie, schießen wir noch in die andere Richtung zur St. Julians Bay, um uns die beschriebenen guten Ankermöglichkeiten mal anzusehen. Immer wieder überraschend wie anders die Dinge ausschauen als wir sie uns nach der Beschreibung vorstellen. Hier sind Unmengen an kleinen Bojen im Wasser, irgendeine fängt man bestimmt mit der Schraube ein, wenn man hier ankern möchte, oder man verheddert sich mit dem Anker an den Ketten und Blöcken die ja unter jeder Boje am Boden liegen müssen. Das ehemals schöne Fischerdorf gibt es auch nicht mehr, nur Hotels, große moderne Wohnblöcke, Geschäfte, Lokale. Wir finden es nicht einladend und streichen diese Bucht von unserer Ankerbuchtliste.

 
Die erste Nacht schlafen wir besonders tief, haben ja einiges nachzuholen, liegen sicher und haben auch noch richtig Bewegung hinter uns. 
Wahrscheinlich sind es die Kontraste, die Weite und Einsamkeit auf See, die Stadt, das Treiben, die Aufgaben, die jetzt wieder auf uns zu kommen, der Alltag der wieder bewältigt werden muss, die uns alles so intensiv erleben lassen. Es ist anders als frühere Urlaube, es ist Urlaub und Alltag, wobei wir nicht einfach mal schnell zum Billa gehen und was einkaufen und Reiseservice haben wir auch keinen. Unser Haus ist immer mit, die Umgebung und damit auch die Einkaufsgewohnheiten ändern sich. Griechenland war uns schon sehr vertraut, wir hatten einige Monate Zeit um uns zu orientieren, Malta ist ganz anders, eine echte Herausforderung. Montag sind alle Geschäfte wieder offen, unsere Vorräte an frischen Lebensmitteln haben wir auf der Überfahrt verbraucht, frisches Brot zum Frühstück wäre auch nicht zu verachten, also los zum nächsten Supermarkt. Robert hat schon ein eigenes System entwickelt um in jeder Stadt Supermärkte und andere Geschäfte zu finden, mit dem Navi steuern wir sie dann auch zielsicher an. Hier gibt es wieder einen Lidl, mit vielen regionalen Angeboten, eine Mischung aus britisch-italienischem Geschmack, sogar einige Spezialitäten aus Österreich finden wir. Wer kennt sie nicht die Kaminwurzen aus Tirol, Speck- und Semmelknödel, alles hier zu kriegen. Obst und Gemüse kauft man in Malta entweder bei kleinen Läden oder direkt von den kleinen LKWs runter, die an vielen Plätzen als Verkaufsstände dienen. Es werden vor Ort gereifte Früchte verkauft, die Auswahl ist daher nicht übermäßig groß, aber dafür wirklich frisch. Robert lacht sich dicke Bohnen an, möchte sie gerne mal probieren. Beim Laden erklären uns mehrere Männer, dass wir die frischeren nehmen sollen und sie auch gleich roh essen können, was für Hülsenfrüchte ja eher unüblich ist. Nachdem sie mir so eine Schote in die Hand gedrückt haben beiße ich mal ab und bin auch gleich die Belustigung der ganzen Runde. Essen tut man nur die Bohnen und die muss man einzeln noch schälen, der Rest ist Abfall. Es handelt sich um sogenannte Bup-Bohnen (keine Ahnung wie dass geschrieben wird), die wir bereits in Polen kennen gelernt haben. Dort kocht man sie und isst sie dann gesalzen als Snack, roh sind sie aber auch sehr gut und eigentlich gehören sie zu den Erbsen und nicht zu den Bohnen, daher auch roh genießbar. Wieder was dazu gelernt. 
Auch am nächsten Tag sind wir wieder unterwegs in den alten Stadtvierteln und nach Birgu zum Markt. Valletta kommt einem sehr groß vor, viel Verkehr, obwohl in ganz Malta nur 430 000 Menschen wohnen, zwei Drittel davon in der Hauptstadt. Auch außerhalb der historischen Stadtteile sind viele Häuser im hier typischen Stil, mit kleinen verglasten Balkonen, die in allen Farben gestrichen sind, das ergibt ein freundliches buntes Bild. Die Eingangstüren sind oft Spitz- oder Rundbögen, verziert mit Heiligenstatuen in Nischen. Viele Häuser sind gerade mal zwei Fenster breit, da können nicht viele Räume dahinter sein. Hier spart man an den Stiegenhäusern, die sind so schmal, mit 90 Grad Ecken, dass man sicher mit keiner Trage runter kommt. Ich sehe die Rettung schon mit dem Patienten verkeilt in so einem Winkel stecken. Übrigens fährt hier natürlich der Malteser Rettungsdienst. 
Die WIFI Verbindung in der Marina ist instabil. Trotzdem versuchen wir immer wieder Seiten über Malta zu öffnen und da erfährt man einiges, hauptsächlich Touristeninformationen, für vieles bekommt man keine Erklärungen. So wäre zum Beispiel interessant, warum viele der Geschäfte geschlossen sind, denn wir haben jetzt nach zwei Arbeitstagen viele Läden nie geöffnet vorgefunden. Auch haben wir in keinem Stadtteil einen offenen Bäcker gefunden, wann immer wir eine Bäckerei fanden, war sie geschlossen. Später bestätigt sich unsere Vermutung, Bäckereien backen nur und das natürlicherweise Nächtens, verkauft wird das Brot dann in den kleinen Läden oder Supermärkten. Erst am letzten Tag haben wir in Gozo durch Zufall backofenwarmes Brot bei einem richtigen Bäcker kaufen können. Wir waren so begeistert und der Bäcker auch, dass er uns gleich stolz seinen mit Holz befeuerten Backofen gezeigt und ihn extra für uns ausgeleuchtet hat.

Es gibt viele kleine Läden, meist mit Unmengen an Getränken, sonst so wie bei uns früher die Kreisler, kleine Auswahl in kleinen Mengen und dafür riesen Supermärkte über drei Etagen. Abgesehen vom Essen ist für uns Segler hier ein Eldorado, große, gut sortierte Marinestores, wir bekommen sogar einen gebrochenen Plastikteil, so groß wie der Daumennagel um 25 Cent und brauchen nicht den ganz teuren Travelerschlitten austauschen. Ein paar Minuten und Robert hat alles repariert. 
Nach drei Tagen Valletta mit dem Fahrrad passt es gut mal in einer der Buchten etwas zu rasten, wir entscheiden uns für die große Bucht im Süden, in der gleich drei gute Ankermöglichkeiten beschrieben sind. Besonders nett klingt die Pretty Bay, schöner Sandstrand, ein richtiger Urlaubsort, wäre da nicht der Containerterminal (Verladeplatz für riesige Containerschiffe) hinter dem sich die Bucht versteckt. Ein besonders „attraktiver“ Ausblick, es wird rund um die Uhr verladen und ist daher auch nachts hell beleuchtet. Als Draufgabe kann man die Flugzeuge beim Landeanflug auf den nahen Flughafen recht gut beobachten und zählen. 
Wir nehmen etwas abseits, also in der nächsten Bucht eine Boje. Die erste verfängt sich gleich am Ruderblatt, Robert muss tauchen und uns wieder befreien, beim zweiten Anlauf klappt es dann, auch diese Bucht ist überseht mit Bojen, wahrscheinlich ist das hier so üblich. 
Nachdem der Wind jetzt drei Tage heftig aus West gepfiffen hat, ist es nicht übermäßig warm, freiwillig gehen wir noch nicht baden, Robert war heut schon das zweite Mal drin, denn in der Früh hat er noch im dreckigen Hafenbecken einen Plastiksack von der Schraube entfernen müssen, jetzt reicht es dann wieder. 
Am Abend  genießen wir unseren Ausblick auf den Frachthafen und fragen uns was und für wen hier tausende Container verladen werden. Ein Containerschiff lädt gerade so überschlagsmäßig gezählte 700 davon und vier Schiffe werden gerade beladen, eines parkt ein, eines ist in den letzten Stunden schon ausgelaufen. Bisher haben wir nur leere Schiffe kommen gesehen und volle wegfahren. Wo kommt die Ladung her, die Insel ist doch nur 28x13 km groß. Aus dem Internet wissen wir, dass auf Malta die Firma Playmobil produziert, aber doch nicht in den Mengen, oder sind die Container voll mit den kleinen Maxerln? Ein lustiger Gedanke, wäre Stoff für Kinderträume.

 
Marsaxlokk ist als typisches Fischerdorf beschrieben, hier stehen die vielen traditionellen bunten Fischerboote und der Hafen ist mit Lokalen, die alle frische Fischgerichte anbieten, überseht. Die Preise sind eher heftig, die Portionen sehen aber recht ordentlich aus, was man so beim vorbeigehen sieht. Ein schöner Markt mit Handarbeiten, regionalen Süßigkeiten und Souvenirs benötigt den restlichen Platz am Wasser. Busse bringen regelmäßig Scharen von Touristen, hier ist was los. Der Rest vom Ort ist wieder ausgestorben, schon in der zweiten Gasse hinter dem Hafen nicht ein Geschäft, kein offenes Fenster, keine Menschenseele auf der Straße. Wir streifen durch den Ort und nehmen dann gleich einen Feldweg über den Hügel zurück in unsere Bucht. Die nächsten Tage verbringen wir gemütlich an Bord, wir „chillen“, so wie heutzutage üblich, nur kleinere Spaziergänge in der Umgebung unterbrechen diese Ruhephasen, auch daran kann man sich gewöhnen.

Wieder zurück in Valletta bereiten wir das Schiff für den ersten Besuch dieser Reise vor. Mit meinen Eltern wollen wir die Sehenswürdigkeiten der Insel besuchen und gemeinsame Zeit verbringen. Wir haben uns schon gut orientiert und holen sie vom Flughafen ab. Auch unsere Ausflüge organisieren wir größtenteils mit den öffentlichen Bussen. Tageskarten um 1,50 Euro sind günstig und gute Verbindungen machen uns das Umsteigen, wenn nötig, leicht. Nur manchmal erwischt man einen Bus, so wie Richtung Mosta, der dann doch nicht stehen bleibt wo man möchte und so fahren wir an dem großen Dom vorbei. Erst bei unserem letzten Tagesausflug schaffen wir es, den Dom zu besichtigen, sehr eindrucksvoll die viertgrößte Kuppel europäischer Kirchenbauten. In Malta gibt es angeblich über 300 Kirchen und die sind alle sehr groß, keine Kapellen. Hier haben die maltesischen Ritter einst ganz schön viel Geld verbaut. Dies erkennt man besonders, wenn man die üppige goldene Verzierung in der St. Pauls Kathedrale in Valletta auf sich wirken lässt. So viel Prunk sieht man nicht alle Tage. Weitere, wirklich sehr beeindruckende Sehenswürdigkeiten, sind die Tempel in Hagar Qim und Mnajdra, aus der Zeit 3500 vor Christus. Monumentale Steinbauten, malerisch in der Landschaft, mit Blick aufs Meer und die kleine Insel Filfla, ein Ort zum Verweilen. Der Audioguide, unser elektronischer Führer, regt die Phantasie an, denn man weiß eigentlich nicht, wer Malta einst besiedelte und wer diese Tempel baute. Blöcke mit bis zu 20 Tonnen müssen erst mal per Hand bewegt werden. Die Sage hat dafür natürlich eine brauchbare Erklärung. Eine Riesin, man beachte weiblich, hat die Tempel in nur wenigen Tagen erschaffen und dabei noch ihr Kind im Arm getragen und gestillt. Solche Superfrauen gehen heute wohl ab, oder sind wir Miniaturausgaben dieser Riesin, die Arbeit und Kinder und was sonst noch alles wichtig ist, unter den Hut bringen? 
Wenn man schon die Sehenswürdigkeiten von Malta hervorhebt, dann wäre da noch die alte befestigte Hauptstadt Mdina, die Katakomben in Rabbat und Victoria, die Hauptstadt auf Gozo, die ebenfalls eine gut erhaltene Befestigungsanlage mit Kathedrale hat. Bei dieser ist übrigens, weil das Geld fehlte, anstelle einer Kuppel ein Flachdach. Innen sieht man dann doch eine schöne Kuppel, eine wirklich eindrucksvolle optische Täuschung, gut gemalt.

Beim Ausblick in die Umgebung zeigt sich uns auch das ländliche Malta, ein Mosaik aus kleinen Feldern, mit Steinmauern eingefasst, dazwischen Wege, schmale Straßen und kleine Orte, die eher orientalisch wirken, meist auf Hügelkuppen mit weit sichtbarer überdimensionaler Kirche, viele davon Barock. Dass ist vielleicht überhaupt das interessanteste an Malta, es liegt zwischen den Kulturen und hat von allem etwas, was man auch an der maltesischen Sprache merkt, zum Glück können die meisten Englisch (die Amtssprache), sonst würde man wieder mal nichts verstehen. 
Die Tage mit den Eltern vergehen wie immer viel zu rasch, wir sind noch gemeinsam nach Mgarr auf Gozo in die dortige Marina gesegelt und haben auf dem Weg noch eine Nacht vor Anker in der sogenannten „Blauen Lagune“ von Comino verbracht. Dort sind wir erst kurz vor Sonnenuntergang angekommen, die letzten Ausflugsboote haben unseren Kurs gekreuzt, wir zählten fünf, jetzt haben wir die Bucht für uns alleine. Unter Tags muss sich da ganz schön was abspielen, da ist es aus mit Ruhe und Idylle, ein Highlight jeder Pauschal-Maltareise eben. Wir verlassen die Bucht am nächsten Vormittag bevor der Trubel wieder beginnt, dass ist ein Vorteil einer Segelreise, den wir so oft es geht nutzen.

Malta ist sehenswert und wir haben hier schöne zwei Wochen verbracht. Ein letztes Mal einkaufen, denn in Sizilien werden wir wahrscheinlich seltener mit den Rädern unterwegs sein können. Der Wind ist günstig, wir segeln mal die Westküste von Gozo entlang Richtung Norden. In der Dweja Bucht verabschieden wir uns würdig von Malta. Eine kreisrunde Bucht umgeben von hohen Felswänden und zum Meer hin fast verschlossen durch den Fungus Rock, der sich zudem noch in der Abendstimmung mit allen möglichen Orangetönen umgibt. Auch dazu eine nette Geschichte – hier wurden einst Schwämme getaucht und als entzündungshemmend, heilend verkauft, ein echter Erfolgsschlager, der sich leider als völlig wirkungsneutrales Placebo entpuppt hat und dann natürlich so rasch wie entdeckt auch wieder verschwunden ist. Ein Maltesernepp, hat damals auch schon so funktioniert.


Wieder zu zweit, voller historischer Eindrücke, bereiten wir uns auf die Überfahrt nach Sizilien vor.