Kap Verden II

Jetzt sind wir schon zehn Tage hier, gut eingewöhnt. Bisher war alles gar nicht so anders, als wir es vom Reisen in Europa kennen. Neu ist, dass man als „Weißer“ gleich mal als Tourist auffällt und auch so behandelt, hilfreich angesprochen oder angebettelt wird, oft nicht leicht auseinander zu halten. Das verunsichert ein wenig, noch dazu, wo man immer auch im Hinterkopf hat, dass man bei uns ja Geld vermutet, welches zu klauen sich für alle hier lohnen würde. Trotzdem scheint hier in Mindelo die Kriminalität nicht anders als im Süden Europas oder in anderen Städten zu sein.

Im ersten Land außerhalb der EU mussten wir auch die Prozedere der Imigration erledigen, dank der guten Informationen kein Problem. Die Beamten sind freundlich und für die Menge an Papier, die jedes Mal auszufüllen ist, erstaunlich schnell. Bei der Hafenbehörde zahlt man umgerechnet sieben Euro und muss seine Papiere hinterlegen. Da wir gut aussehende Kopien haben lassen wir sie relativ unbekümmert zurück, wäre kein Kapitalverlust wenn sie nicht mehr auftauchen. Warum man mit so was rechnet, weiß ich nicht, aber irgendwie beunruhigen einem die Stöße an Papier in denen man Beamte beim verzweifelten Blättern beobachtet und außerdem was ist, wenn man weg muss und die Hafenbehörde geschlossen hat, wird nicht sein, aber sicher ist sicher. Geldwechsel und Umrechnung Escudo in Euro ist auch wieder neu, der Faktor Hundert an und für sich leicht zu rechnen, trotzdem lohnt ein zweiter Blick auf die Scheine und Münzen, denn da gibt es unterschiedliche Design gleichen Wertes und manche sind so abgegriffen, dass man den Betrag ohnehin kaum lesen kann. Und wenn man 1000 Escudo, also zehn Euro zum Zahlen zückt, erntet man rasch ein verzweifeltes „so ein großer Schein, kann ich nicht wechseln“, den 20 Euro Wert traut man sich ohnehin nur in einem Supermarkt aus dem Börsel ziehen und das alles, obwohl Einkaufen gar nicht so günstig ist. Am Gemüsemarkt hat man den Eindruck, dass sie dir gerne mal einen Touristenpreis verrechnen und schnell mal was rein schummeln was schon am Heimweg verdirbt. Unter einem Euro bekommt man fast nichts und egal was die Waage zeigt, man zahlt immer ein Kilo.

Am Fischmarkt wird mir ohnehin leicht übel, der Geruch ist beißend und die vielen Fliegen auf den offenen Fischstücken sind grauslich. Vielleicht sieht man es mir an und deswegen sind die Verkäuferinnen eher abweisend, man hat das Gefühl man stört. Unwillig schneiden sie dir dann deine Stücke runter und kassieren, fünf Euro für über ein Kilo Thunfisch, ist günstig und am Teller, von Robert gut angerichtet, kann ich mich dann auch für Fisch begeistern.

Alle Reparaturen und Einkäufe erledigt, für die nächste Woche weniger Wind angesagt, also gut zum Ankern, zieht es uns jetzt langsam weiter. Wir holen die Papiere im Hafenamt, verabschieden uns noch von unseren neuen und alten Schiffsfreunden und legen zeitig ab. Harmattanwetter, Wind aus Afrika mit reichlich rotem Sand, der alles gleichmäßig einstaubt und einem die Sicht zum nahegelegenen Ufer nimmt. Wir navigieren mit GPS und sehen den ganzen Tag kaum mehr Umrisse, die einem Berg ähneln und die Ansteuerung auf die unbewohnte Naturschutzinsel Santa Luzia ist ein Blindflug. Näher als zwei Kilometer vor der Insel sieht man nichts außer einem zarten weißen Streifen im Wasser, es ist der Sandstrand, oder besser gesagt die Brandung, die Berge dahinter sieht man erst ganz zum Schluss, da hat man sie fast schon nieder gefahren. Anker fällt, nachschauen ob er gut hält geht sich nicht mehr aus, die Nacht bricht herein und es ist stockdunkel. Kein Mond, kein Stern, keine Insel mehr, da werden Geräusche um Potenzen lauter, die Gischt und das Heulen des Windes geben sich ein Konzert, hört sich bedrohlich an. Auch diese Nacht wird unruhig, zur Sicherheit läuft am GPS der Ankeralarm, als aber mit einem Knall die Ankersicherungsleine in einer Böe reißt, sind wir hellwach. Robert montiert eine neue Sicherung, wir beobachten angstvoll unsere Position am Bildschirm, denn sonst gibt es keine Anhaltspunkte, nur das Tosen der Brandung verrät wo das Land ist. Wieder eine Nacht in der man froh ist, dass es wieder hell wird, in der Früh dann zur Begrüßung ein Donner, laut wie eine Explosion, wir zählen den Abstand vom nächsten Blitz zu Donner und hoffen, dass wir nicht auch noch einen Blitzschaden abbekommen, wäre hier eine kleine Katastrophe. Den Regen begrüßen wir, nimmt er doch hoffentlich die rote Patina vom Schiff, denn mit Salzwasserkübel wären die Stoffteile und Leinen kaum sauber zu bringen. Es wird ein geruhsamer Tag, der Regen erledigt seine Arbeit und wir faulenzen im Trockenen. Erst am Nachmittag kommt die Sonne wieder durch und wir nutzen die Gelegenheit mal unser Unterwasserschiff zu beäugen und mit Spachteln vom Bewuchs zu befreien. Müde aber zufrieden klingt der Tag aus, die Insel ist inzwischen wieder zu sehen und unsere Begeisterung hält sich in Grenzen. Soweit man sieht nichts Grünes, vielleicht auf der anderen Seite, hier nur Steine und Sand und eine Brandung bei der man sicher eine Bruchlandung hinlegt um an Land zu kommen. Wir verzichten darauf und segeln weiter.

Tarrafal auf Sao Nicolau soll so schön sein, die Insel hat wieder einige schöne Wanderungen zu bieten. Größenmässig liegt sie so in der Mitte, die Orte sind eher klein und die Verkehrsanbindung per Flug und Schiff ist schlecht, so dass sich nur wenig Touristen hierher verirren. Nur Yachten legen regelmäßig an, wir zählen zwei Franzosen, ein Belgier und ein Holländer, ein scheinbar schon länger abgestelltes verdrecktes Schiff und ein entmastetes Frack. Wir machen uns bereit für den Landgang, wollen wir noch vor vier die Hafenbehörde erreichen um uns anzumelden, was in jedem Hafen gefordert wird. Am Strand laufen uns schon eine Schar Kinder entgegen und helfen das Dingi an Land zu ziehen und sie zanken wer wohl den Job des Wächters bekommt und sich 100 Escudo verdient. Ein aufgedrängtes Geschäft, welches einem die Wahl keinen Aufpasser zu nehmen gar nicht lässt. Wir beobachten die Scene eine Zeit lang, dann gibt Robert zwei der kleinen Kerle den Zuschlag und vertröstet die anderen mit seinem spärlichen Spanisch auf morgen. Ob sie das verstanden haben wissen wir nicht, es kehrt Ruhe ein und sie ziehen ab, alle, denn mit dem Aufpassen scheint es nicht so genau zu sein. Schlau sind sie aber, wie die Katzen beobachten sie ihr Revier, den Strand, und wenn sie uns kommen sehen, huschen sie zum Boot, helfen auch wieder rein ins Wasser und kassieren.

Die Policia Maritim scheint auch nicht allzu oft besucht zu werden, der Beamte wird herbei telefoniert und braucht gute 20 Minuten bis er auftaucht, erledigt den Papierkram, nimmt die 700 Escudo und gibt uns netterweise alle Papiere gleich wieder mit. Auch er möchte kein zweites Mal antanzen, da sind wir uns zum Glück einig. Wir spazieren durch den Ort, die übliche Mischung aus verfallenen, noch nicht fertigen und schön herausgeputzten Häusern, ungewöhnlich breiten Straßen, alles fast ohne Autos und Menschen, mehrere kleine Läden, fast alle in chinesischer Hand mit dem üblichen Kram, Putzmittel und wenig Essbarem. Kleiner Einkauf und zurück zum Boot, ausrasten, wir sind von unruhigen Ankernächten und Nachtfahrten gut müde.

Unser Ausflug in den Hauptort Ribreira Brava ist ein voller Erfolg, wir fahren um umgerechnet drei Euro mit dem Aluguer (Sammeltaxi) fast um die ganze Insel herum. Der Ort liegt in einem fruchtbaren Tal, welches natürlich gegen Osten gerichtet ist, im Westen, wo wir ankern, sind wieder nur kahle Felswände und Schluchten durch die Fallwinde auf unser Schiff zubrausen, die Ankerkette zerrt, es ruckt und der Schwell, das Übliche halt. Von Ribreira Brava kann man in das Aqua das Patas Tal hinein spazieren und auf einem alten Weg, vorbei an kleinen Ortschaften über Serpentinen steil  bergauf wieder die Verbindungsstraße erreichen. So klein kann der Laden gar nicht sein, dass man kein kaltes Bier bekommt, Stärkung vor dem Aufstieg, riesen Wegweiser am Wegesrand wo es gar keine Abzweigungen gibt, sie bestätigen aber unser Ziel aus dem Wanderführer. Ortsschilder gibt es auf den Kap Verden praktisch keine, also weiß man jetzt den Weg, nicht aber, ob man angekommen ist, denn Häuser gibt es immer wieder mal in kleineren und größeren Ansammlungen. Egal, die Straße erkennen wir wieder, sitzen nicht allzu lang im Schatten bis ein Aluguer für den Rückweg hält. Kürzere Strecke zurück um ein Euro, großer Fisch gleich am Hafen gekauft, Dingibewachung bezahlt und zurück an Bord endet der Tag mit einem Traum–Fischmenü. Irgendwie nervt es uns bei jedem Mal an Land gehen belagert zu werden, Kinder enttäuschen zu müssen, denn es ziehen immer mehr ohne Geschäft ab als wir bezahlen können, auch wenn Robert schon zusätzliche Geschäfte wie Mistsackerl wegtragen erfindet und bezahlt. Für mehrmals täglich, oder um nur kurz ein paar Semmerl zu kaufen einfach zu viel Aufwand, schade, sonst wäre die Insel sehr nett. Wir verbringen den letzten Tag hier an Bord, rasten und bereiten uns für die nächste Strecke vor.

Es gibt aber auch noch andere Gründe warum wir noch donnerstags aufbrechen, wieder Mal Welle und Schwell und unser nächster Stopp ist Santiago, die größte Insel mit der Hauptstadt Praia, in der wir uns bei der Imigration bis Freitagnachmittag abmelden müssen, sonst heißt es warten bis Montag. Tag-Nachtfahrt, letzte Recherchen ergeben, dass es trotz Kriminalitätswarnungen besser ist direkt Praia anzulaufen, denn Tarrafal ist auch  nicht viel sicherer und wir müssten in einem Tagesausflug über die Insel nach Praia, bedeutet Schiff lange alleine lassen, was wir auf diesen Ankerplätzen ungern tun. Vielleicht sind wir schon übervorsichtig, aber wir haben in Sao Nicolau eine Yacht hinter uns aufs offene Meer triften gesehen. Die Crew ist ihr dann hinterher gefahren und hat sie zum Glück noch erreicht, der Trost, hätte freie Fahrt bis in die Karibik gehabt, zerschellen würde sie nicht.

Ansteuerung Praia so gegen neun Uhr Vormittag, die riesen Ankerbucht tut sich auf, rechts der Fischer und Industriehafen, links und auf allen Hügeln rund herum die Stadt, ein einziger Segler vor Anker. Robert bringt mich an Land und fährt zurück um unser Boot zu bewachen, das Beiboot soll man hier ohnehin nicht alleine am Strand oder Tankstellensteg lassen. Die Neuigkeiten, die er am Rückweg von der französischen Yacht bekommt, verheißen nichts Gutes, ihnen wurde in der letzten Nacht das Beiboot gestohlen. Der Motor ist weg, das Boot hat er am Strand wieder gefunden und angeblich kommen Banden nächtens auf die Schiffe und nehmen alles, was nicht niet- und nagelfest ist.

Wir fühlen uns eh schon unwohl, sehen in jedem einen potentiellen Gauner und entwickeln langsam eine kleine Angststörung. Meine Amtswege klappen ohne große Probleme, Robert geht am Nachmittag noch einkaufen und wir versperren über Nacht das Schiff, bereit jederzeit wieder aus zulaufen. Es wird eine ruhige Nacht, also können wir von Praia nichts Negatives berichten außer, dass wir uns nicht gemeinsam von Bord getraut, und an Land nur die notwendigsten Wege rasch hinter uns gebracht haben, Urlaubsfeeling null.

Irgendwie entsteht so eine Zeit von nicht mehr richtig hier und noch nicht unterwegs sein, die gewünschte Entspannung haben wir bisher vermisst, wir erhoffen uns noch ein paar ruhige Tage in Brava, Faja d‘ Agua ist uns empfohlen worden. Ein letzter kleiner Ort auf einer winzigen Insel, von dort wollen wir starten. Die Überfahrt, wieder über Nacht ist jetzt schon Gewohnheitssache, auf Vorwindkurs können wir die Spagetti vom Teller essen, jeder hat seine Wache, hinter Fogo ist Flaute, danach Düseneffekt mit Starkwind zwischen den Inseln, wieder kein Fisch an der Angel.

Die Bucht ist schön, steile Berge in grün mit malerisch verteilten Palmen tun sich auf, ein kleiner Ort mit ein paar Fischerbooten, wie eine Oase. Wieder ein französischer Segler vor Anker und kaum Platz für ein zweites Schiff wenn man beobachtet wie er sich um seinen Anker dreht. Nach mehreren Runden ankern wir zwischen ihm und dem Land und dann beobachten wir die Felsen die bei unseren Schiffsbewegungen an uns vorbeiziehen, hoffentlich geht sich die Runde aus, der Anker hält zum Glück gut im Sand. Hier ist schnorcheln ein Genuss, nicht nur um den Anker und den Meeresgrund zu begutachten, Robert geht mit der Harpune auf Jagd, möchte er doch eine Languste oder einen Fisch für uns rausholen. Ob wir dafür lange genug da sind wage ich zu bezweifeln, wird ja nicht so rasch erledigt sein wie ernten im Vorbeigehen. Vielleicht rauf in den Ort, wenn wir sicher genug stehen, was im Moment nicht so aussieht, denn so nah an den Felsen lassen wir unser Schiff sicher nicht alleine, Mails schreiben, letzte Mal mit zuhause skypen oder Whats App telefonieren, schnorcheln, rasten und warten, bis der Wind passt. Im Moment sind wir uns nicht sicher, ob uns stärkerer Wind von hier weg treibt oder ob uns starker Wind abhält zu starten, angesagt ist inzwischen bis 30 Knoten gegen nächstes Wochenende, ist mehr als bisher prognostiziert, weiter reicht die Vorschau nicht.

In der Nacht läuft wieder der Ankeralarm, trotzdem schlafen wir beide schlecht, wahrscheinlich müssen wir einfach los, hier finden wir keine Entspannung mehr, liegt zum Teil an den exponierten Ankerplätzen und unsicheren Orten, sicher aber auch an uns, die Nervosität lässt sich nicht wegscheuchen. Es ist wie vor großen Prüfungen, es kommt der Punkt da kann man nichts mehr lernen, man möchte es einfach hinter sich haben, ist ausgelaugt, erschöpft, nervös mit allen körperlichen Symptomen.

Nach überstandener Nacht, es ist inzwischen Montag, entschließen wir relativ spontan, dass ich mal an Land schwimme, Anlanden mit dem Beiboot ist wegen Brandung kaum möglich, um mit dem nächsten Aluguer oder mit den anderen Seglern mit dem Taxi nach Vila Nova zu fahren. Mit dem letzten Geld wollen wir noch frisches Obst und Fisch kaufen. Es ist nicht weit zum Strand, aber mit wasserdichtem Sack und Müllsack im Schlepptau ist die Brandung dann doch recht heftig. Zwei große Wellen befördern mich über die zum Glück runden Steine auf den Strand. Die Franzosen nehmen mir gleich mal den Müll ab und laden mich ein mit ihnen mit dem Taxi zu fahren, nicht nur in die Hauptstadt, sondern gleich die gesamte geführte Inseltour die sie, für diesen Vormittag bei Dani, einem Fischer der französisch kann, vereinbart haben. Raus aus dem Badegewand, rein in kurze Hose und Leiberl, Badeschuhe gegen Trackingsandalen wechseln, Geld und Fotoapparat einstecken, nasses Zeug in den Sack und es kann losgehen. So eine Chance lass ich mir nicht entgehen. Während ich die Tour wirklich genieße und erstmals seit Sao Nicolau mich wieder wohl und nicht wie „da bleiben wir nicht, schau ma, dass ma weiter kommen“ fühle, kämpft Robert mit dem Boot. Die Schilderung, wie die Felsen noch näher rückten und die Brandung bereits unter dem Boot gebrochen ist, er mit Motor etwas gegen an gefahren ist und Ankerkette eingeholt hat und jederzeit startklar war, bekomme ich zum Glück erst am Nachmittag brühwarm serviert. Michel und Sylvie, die Franzosen können gut Englisch, sodass ich mich gut unterhalten konnte und auch die Insiderinformationen von Dani übersetzt bekam. Brava ist nur 64 Quadratkilometer groß mit ca. 5000 Einwohnern, relativ grün und gepflegt. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass viele Bewohner seinerzeit von amerikanischen Walfängern auf die Schiffe angeheuert wurden und so nach Amerika ausgewandert sind. Der Kontakt nach Hause scheint gehalten zu haben, sie schicken Geld, renovieren oder bauen Häuser, die man dann auch gleich an Größe und Farbe erkennt, sponsern Schulen oder kommen nach 10 oder 20 Jahren wieder zurück. Hier kennt wirklich jeder jeden, egal wer den Weg kreuzt, man bleibt stehen und unterhält sich kurz, mehrere Stopps in Bars für einen kleinen Cafe oder den hier sehr beliebten Punsch, also Zuckerrohrschnaps gehören dazu. Der eine Barbesitzer war lange in Holland, eine andere sehr attraktive und temperamentvolle Barkeeperin 20 Jahre in Amerika, alle unterhalten sich gerne mit uns Gästen. In jeder Bar trifft man auf Stammgäste, leider bereits vormittags deutlich alkoholisiert, Dani und der Fahrer entschuldigen sich bei jeder Gelegenheit für ihre Landsleute. Sie beschreiben das Problem, dass Punsch um vieles billiger ist als Bier und Zeit hat hier jeder, manche nutzen sie halt eher zu ihrem Nachteil. Auf der Insel gibt es, bis auf ein paar Kilometer zwischen Vila Nova und dem Fährhafen Furna nur holprig gepflasterte Straßen oder Sandpisten. Teilweise sind sie eindrucksvoll in den Felsen gehauen, ich staune, von deutschen Ingeneuren gebaut, so wie der Flughafen, der nie in Betrieb ging, weil der Wind das Landen zu gefährlich macht. Ist so ein Schildbürgerbauwerk, ein Mahnmal des Fortschrittes. Hier ist, auch mit dem zusätzlichen Einblick den ich bekomme, wirklich einiges anders als auf den bisher besuchten Inseln. In den Geschäften, den größten, betont Dani, gibt es nur wenig zu kaufen. Zu Mittag bereits kein Brot mehr, fürs Obst fahren wir mehrere Familien an, die jeweils was anderes anbieten, eben was gerade gereift ist. Käse nehmen wir direkt bei der Käserei, die sie uns auch mit Stolz zeigen, Fisch gibt’s erst, wenn ein Fischer wieder mit einem Fang zurückkommt. Hier wird nicht viel importiert und auch nicht viel exportiert, sie versuchen sich selbst zu versorgen, was, dank eines guten Wasserversorgungssystems und ihrem informellen Handel auch funktioniert. Die Insel ist klein, aber wie alle Berge zerklüftet, also geht es ständig auf und ab, vorbei an Kühen, Hühnern, Ziegen und Hunden, die alle auf der Straße rumstehen. Sie wollen uns wirklich jeden Winkel und jede tolle Aussicht zeigen, echt Luxus. Besonders wichtig scheint es Dani zu sein uns auch in seinem Heimatort Porto dos Ferreiros zu bewirten. Besuch in der Bar, eben bei der netten Dame aus Amerika und ein Besuch mit Mittagessen (Cachupa, typischer Eintopf, dazu Fisch) im Haus seines Cousins. Dazwischen zeigt er uns den Abstieg zum Strand mit den Fischerbooten, der Ort liegt etwa 400 Meter über dem Meer, ein schmaler Fußpfad, ca. 20 Minuten bergab, etwas länger und schweißtreibend mit dem Fang bergauf. Hier ist alles noch Handarbeit, die Boote werden übrigens auch gerudert und nicht mit PS vorangetrieben und sie sind relaxt, tanzen zur Barmusik auf der Straße, vom Säugling bis zum Greis ist alles im Freien unterwegs.  

Wie gesagt ich genieße, bin bis zum Ende der Fahrt leicht beschwips, denn auf nüchternen Magen sind mir sogar die kleinen Mengen Punsch zu viel, und staune, wie gut sich der wenige Fortschritt hier mit dem traditionellen Leben zu verbinden scheint. Man hat auch nicht das Gefühl, dass sie mit Neid über die großen Häuser der „Amerikaner“ reden, es schwingt ein bisschen Bewunderung mit, aber auch so etwas wie, deren Sorgen möchte ich nicht haben, echt sympathisch.

Zurück an Bord komme ich mit Michel und Sylvie mit ihrem Beiboot, wir sitzen noch kurz bei einem Bier zusammen und sie verkosten unser entsalztes Wasser, begeistert von unserem kleinen Wassermacher, der noch unter dem Abwaschkastenboden Platz hat. Wird sicher auch ihr Boot bald noch unabhängiger machen, dann drängt die Zeit, denn wir hängen ja schlecht so knapp vor den Felsen, also ankern wir beide um. Das ist sehr nett, zwischen Reisenden möglich, in Kroatien, in Charterrevieren haben wir so eine Rücksichtnahme nie erlebt. Unsere neue Ankerposition entspannt jetzt auch Robert, wir genießen den Rest vom Tag, schlafen wie die Babys, nur der Ankeralarm wacht und freuen uns jetzt auf, wahrscheinlich noch zwei ruhige Tage. Wie neu geboren geht Robert gleich in der Früh auf Jagd, ich treibe die Vorbereitungen am Boot für die Überfahrt voran, checke die Wetterberichte und bemerke erst nach längerer Zeit, dass die Pfiffe an Land uns gelten, ein Polizist deutet, dass ich an Land kommen soll, leider nicht möglich, da ich ja alleine bin und das Beiboot noch nicht im Wasser ist. Dani rudert gerade mit seinem Fischerboot vorbei und grüßt, ich bitte ihn, dem Beamten auszurichten, dass wir später rüber kommen werden und ich staune, hinter mir sind die Franzosen still und heimlich abgerauscht. Sie wollten mit der Polizei nichts mehr zu tun haben, Aufbruch ohne Goodby, etwas plötzlich, schade. Für uns entpuppt sich der Kontakt mit der Polizei auch als Startpfiff, wir handeln aus bis morgen noch bleiben zu dürfen und dafür keine Formalitäten erledigen zu müssen.

Wieder nichts mit zwei gemütlichen Tagen, was soll`s, wir brauchen scheinbar diesen Schubs und erledigen, jetzt schon mal an Land, unsere letzten Einkäufe. Ein Liter Punsch, wird in der Bar extra für uns abgemischt, ein paar Keks, Eier und was sich mit dem restlichen Münzen noch ausgeht. Dani bekommt noch Geld für zwei Kilo Fisch den er uns noch liefern wird, wenn wieder ein Fischer mit Fang herein kommt und ein Besuch bei Erick und Marijke, Holländern, die seit fünf Jahren hier eine kleine Landwirtschaft und Appartmets-Vermietung aufgebaut haben, geht sich auch noch aus. Wir bestellen die Grüße von Stefan und Bernhard von der Chenoa und bekommen einen weiteren tollen Einblick in das Leben hier auf Brava, in Faja da Agua, dem Ende der Welt, wie es im Reiseführer steht. Die Gastfreundschaft hier in diesem Ort hat unsere Herzen jetzt erobert und uns doch noch etwas Erholung gezaubert, sodass uns die Kap Verden in guter Erinnerung bleiben werden. Wir haben einige Orte kennen gelernt, die wir gerne wieder besuchen werden und wir wissen, was wir auslassen würden. Ein Urlaub in einem der Apartments im Kaza di Zaza sorgt sicher für Entspannung gestresster Mitteleuropäer, hier die Homepage für alle die sich jetzt angesprochen fühlen: www.kazadizaza.com

 

Schluss mit Berichten, zusammen packen, es ist noch einiges zu tun und morgen verschwindet Brava in unserem Kielwasser, wir melden uns dann wieder aus Barbados, Anfang nächsten Jahres. Wer uns über den Teich begleiten möchte sieht am Positionsreport unser tägliches Vorankommen, sonst sind wir eben weit weg von Land und Internet.