Werfttage

Wien ist emotional noch nicht verlassen schon setzt das Flugzeug zum Landen an. Der erste Blick aufs Meer, Schaumkronen bedeuten viel Wind, auf was lassen wir uns da ein. Zum Glück sind wir noch an Land, der Wind kann uns noch nichts anhaben, aber bald wird er unser wichtigster Begleiter sein und alles nach dem Diktat des Wetters laufen. Wirbelsturm und Verwüstung auf Vanuatu sind eine Nachrichtenmeldung weit weg, oder für uns bewegend. Ein mulmiges Gefühl, das Vertraute der Reise ist weit weg, die Sicherheiten des Alltages in Österreich noch sehr nah. Die vielen Frage und die angstvollen, macht's gut und kommt gesund wieder, fördern die Verunsicherung. Innerlich wissen wir, dass wir die Reise wollen, dass wir uns darauf freuen, die Stimmung ist aber gar nicht danach. Jeder mit sich beschäftigt, ruhig, nachdenklich, traurig und müde. Interessant, dass man sich mit den schwierigen und unangenehmen Dingen weit mehr beschäftigt als mit den Schönen. Jeder hat ein paar Überfallsgeschichten parat und besonders die Überfahrt über den Atlantik endet in den Gesprächen meistens in der Rettungsinsel, denn was machen wir, wenn das Schiff sinkt. Davor haben wir erklärt, dass wir auch „durchkentern“ können, ein Situation, die wir wirklich zu keiner Zeit erleben möchten, denn heil übersteht man das nicht. So mischt sich zum Abschiedsschmerz auch noch die Unsicherheit, Angst ist es nicht, da scheint die innere Ruhe und Kraft stark genug zu sein. 
In Athen werden wir zum Glück von Michael abgeholt, das Gepäck muss also nicht geschleppt werden. Mit zwei großen Taschen und zwei Rucksäcken hängt sich jeder Meter an, die Schultergurte schneiden einem auf kurz oder lang den Arm ab und die Tragegurte sind so lang, dass meine Arme zu kurz sind, die Tasche schleift am Boden. Die Gastfreundschaft und das Wiedersehen mit unseren Freunden, der Familie Arwanitakis tut gut, wir unterhalten uns gut und werden umsorgt. So gleiten wir durch den ersten Tag, die Gedanken werden langsam vom Abschied abgelenkt, wir kommen in Griechenland an. Am nächsten Tag treffen wir noch andere Familien und erleben so zwei tolle Tage. Die Zeit vergeht rasch, wir hätten uns noch viel zu erzählen und bleiben auch sicher in Kontakt. Doch unser Krantermin steht mit Ende März fest und es ist noch einiges am Boot zu tun, außerdem wollen wir wissen ob unser Boot den Winter gut überstanden hat. So zieht es uns weiter. Die Fahrt mit der Fähre nach Porto Heli lässt sich gut organisieren, Michael ist wieder so nett und bringt uns mit dem Auto nach Piräus, wir sind über die Unterstützung sehr froh, das erleichtert uns viel. 
Nach drei Stunden Fahrt und einem Wiedersehen mit Poros, Hydra, Ermioni und Spezia, die Stationen der Fähre, sind wir in Porto Heli die einzigen und letzten Passagiere. Das passt ein bisschen zur Stimmung am Ende der Welt angekommen zu sein, dort wo sonst keiner hin muss oder will. Der Ort ist genauso zurückgezogen wie im Herbst, das Wetter auch ähnlich. Ende Oktober hatten wir viel Regen bei ein paar Grad mehr, jetzt pfeift der Wind bei ca. 12 Grad, was sich wie knapp über null anfühlt. Eine Verkühlung ist damit vorprogrammiert und passt zum Einstiegsprogramm. 
In der Werft ist alles in Ordnung, alle Boote dicht an dicht aufgebockt, überall wird fleißig gearbeitet, bevorzugt Unterwasserschiff geschliffen, alles ist bedeckt mit einer feinen Staubschicht. Da kann ich mich gleich wieder putzend engagieren, hab in Österreich gerade die Putzkübel weggestellt, bin aber noch gut in Übung. Innen riecht es frisch nach dem von mir aufgestellten Duft, der Luftentfeuchter hat gute Dienste erwiesen, sich voll verbraucht, zwei Liter Wasser im Gefäß gesammelt, so ist zum Glück alles trocken geblieben. Wir können unbeschwert in unser schwimmendes Haus, welches jetzt noch zwei Meter über dem Boden steht, einziehen. Mittels Stehleiter und Badeleiter klettern wir auf und ab. Wasser gibt es an Bord nur aus Flaschen, das Wasser aus der Leitung ist ungenießbar. Die erste Nacht ungewohnt, es ist ruhig hier, hin und wieder meldet ein Hund, man fühlt sich dadurch auch etwas bewacht. Beleuchtet ist das Areal auch, man würde die Einbrecher also beim weglaufen sehen bevor sie in der Dunkelheit verschwinden. Also rund um ein Gefühl wieder in der vertrauten Umgebung angekommen zu sein.
Werfttage sind normalerweise der Graus jedes Seglers. Es ist ungemütlich, schmutzige, lästige Arbeiten stehen an, man kann sagen es ist Baustelle. 
Wir sind in Franks Yachtstation, eine Entscheidung die wir im ersten Eindruck mit mulmigen Gefühlen betrachteten, jetzt aber sehr positiv erleben. Hier werden Vorurteile und erster Eindruck auf die Probe gestellt. Von außen betrachtet würde man an eine griechische Werft denken, wo alles etwas in die Jahre gekommen ist und jedes Boot auf Holzstützen individuell aufgebockt ist. Alte Tradition, feinste Handarbeit, wie es heute in Werften kaum mehr üblich ist. Jedes Boot wird von der erfahrenen Mannschaft sorgfältig betreut und achtsam wieder ins Wasser gehoben. Maximal zwei Boote am Tag, Krantermine werden mit äußeren Umständen gut abgestimmt. Man fühlt sich wohl in der österreichischen, deutschen und englischen Mannschaft die hier arbeitet und lebt. Eine Welt, die zum Fahrtensegeln passt, die die Hektik und Zwänge der Modernen nicht ohne sie zu hinterfragen übernimmt, wo die Handarbeit noch mehr zählt als die moderne Technik. 
Eine positive Stimmung kommt wieder zurück, wir arbeiten so vor uns hin und kommen trotz eher schlechtem Wetter gut voran, sodass wir am 30.3. gekrant werden können. Rund um uns verschwinden die Boote ins Wasser, ein freier Platz tut sich auf, es ist alles durchdacht und gut organisiert, man merkt es erst, wenn man ein Teil davon ist. 
Haben wir uns anstecken lassen und verschärft Unsicherheit die Wahrnehmung für allerlei Unfälle. Meldungen über 20 zerstörte Segelyachten in Vanuatu und fünf Opfer unter den Seglern, ein Fischerboot, welches gestern vor Ermioni, also hier ums Ecke auf Felsen aufgelaufen ist, dabei ertranken drei Fischer, und dann noch der Flugzeugabsturz, also man kann sich rundum Sorgen machen. Solche Phasen gibt es immer wieder, besonders wenn man näher an Unglücken dran ist, man fühlt sich verletzlich, dem Schicksal ausgeliefert, man sucht nach Erklärungen für die Unfälle, in der Hoffnung sich vorbereiten und schützen zu können. Was das Segeln betrifft kann man wirklich einiges vorbereiten und wir sind deshalb auch sehr genau bei all den Arbeiten und prüfen alle belasteten Teile am Schiff, es soll ja nichts in einer eh schon schwierigen Situation zu Bruch gehen. Und wenn wir unterwegs sind, riskieren wir auch nicht Kopf und Kragen, sondern sind lieber ein bisschen langsamer und dafür sicherer. Reffen wenn man das erste Mal dran denkt, aufrechtes Segeln ist gerade bei unserem Bootstyp sicherer und in der Nacht wird immer einer Wache halten, die Umgebung und die Geräte im Auge behalten um rechtzeitig reagieren zu können. Deshalb werden die Überfahrten auch die große Herausforderung, Wachwechsel zu zweit bedeutet wenig Schlaf, den man bei Anspannung normalerweise eh besser aushält. Das Adrenalin hält einem wach, macht einem erstaunlich leistungsfähig. Wir haben schon viele Fahrtenseglerberichte gelesen und alles hört sich so normal und selbstverständlich an. Wenn man sich selbst darauf vorbereitet fühlt es sich anders an, sehr belastend, man weiß nicht ob das alles so funktioniert. Aber wenn man es nicht versucht, wird man es nie wissen und man wächst in seine Aufgaben hinein, haben wir schon öfter im Leben erfahren, also weg mit der schlechten Stimmung, es reicht wenn das Wetter auf traurig macht. Nur noch ein paar Tage, dann sind wir im Wasser.
Die letzten Werfttage verwöhnen uns mit den ersten Sonnenstunden. Wie anders, viel freundlicher alles auf einmal ausschaut. Wir erledigen gleich unsere Einkäufe, mit den Fahrrädern, voll bepackt mit den nötigsten Grundnahrungsmitteln und einem Keksvorrat für Nachtfahrten. Nicht dass wir ab jetzt keine Geschäfte mehr erreichen würden, aber vor dem Winter haben wir unsere Vorräte, besonders Verderbliches weggegessen und als Fahrtensegler gewöhnt man sich daran immer genug Essbares an Bord zu haben. Essen und Trinkwasser sollte nie ausgehen!
Das Wochenende vergeht rasch, wir stehen schon auf dem Trailer, Montag in der Früh halten wir uns schon fürs Kranen bereit. Der Tag sonnig, alle gut aufgelegt, jetzt geht es rasch, um neun Uhr sind wir schon im Wasser. Ein Blick in die Bilgen, alles dicht, die Gurten werden losgeschraubt, wir schwimmen, frei zum Ablegen. Die Abmeldung bei der Hafenbehörden wird von den erwarteten Diskussionen begleitet, welcher Stempel fehlt, was gehört jetzt bestätigt, muss noch eine Gebühr einbehalten werden. Wir verstehen kein Griechisch, aber es wirkt sehr emotional was unsere Papiere bei den Beamten auslösen. Schlussendlich braucht es noch einen Anruf aus Franks Yachtstation um unseren herbstlichen Krantermin zu bestätigen, um dann mit zwei Stempeln, freundlich, mit Wünschen für eine gute Reise, entlassen zu werden. 
Jetzt ist es auch schon an der Zeit den Kai für das nächste Boot frei zu machen, der Kran und der Trailer kommen schon wieder ums Eck und fahren auf der Straße Richtung Kai. Letzte Grüße, Motor warm laufen lassen und ab zu einer Boje. Dort müssen wir alle Segel anschlagen und auch die Achterstagen wieder fixieren, denn die mussten bei dieser Einarm- Kranmethode entfernt werden. Die Einstellung ist Millimeterarbeit, davon hängen die Mastkrümmung und der Bootstrimm ab. Robert macht das mit der Schiebelehre, wie alle Arbeiten, sehr genau. 
Der Montag vergeht rasch, bis am Abend ist alles erledigt, fertig zum Segeln, Zeit zum Aufbruch!