Überfahrt nach Panama

Endlich ist es soweit, zuerst bläst der Wind noch heftig und in der große Einbuchtung von Kolumbien, am Weg nach Panama auch genau gegen uns, dann ist Flaute. Beides wollen wir uns sparen, also heißt es warten und sich noch einige Tagen auf Aruba herumtreiben. Zuletzt gehen wir gar nicht mehr von Bord, richten uns und das Schiff für die Überfahrt her. Immerhin sind es 700nm, also ca. eine Woche, die Distanz hatten wir zum Beispiel zwischen Portugal und den Kanaren. Montag beginnt der Tag mit leichtem Wind, ideal um an der Mole mit den Autoreifen und dem Schwell zum Ausklarieren anzulegen. Hier auf Aruba machen sie einem das Kommen und Gehen sehr unbequem, warum kann man nicht einfach mit seinen Papieren zu den Behörden marschieren und sein Schiff sicher vor Anker lassen. Die Beamten, die in Autos kommen und alle Formalitäten erledigen, sind ausnehmend freundlich, welch Trost.

Anlegen klappt problemlos nur während wir auf die gestempelten Papiere warten rollen zeitweise riesige Wellen Richtung Mole, alle Schiffe, es sind an diesem frühen Morgen drei, werden ordentlich an den Steg gescheuert, genau das, was man vermeiden möchte. Autoreifenschmutz am Rumpf ist für uns kein Drama, wir wollen bloß keine weiteren Kratzer und Dellen.
Um halb neun sind wir bereits unterwegs, raus aus der Lagune und Segel setzen, sechs Knoten von Achtern ist ideal um den Spi wieder mal fliegen zu lassen. den ganzen Tag geht es zügig voran, zweimal kreuzt ein Fischkutter unseren Weg, gerade so nah dass man mit dem Fernglas die Mannschaft gut sehen kann. Eigenartigerweise wird nicht gefischt, nichts geschleppt und sonst sieht man auch nicht wofür die da herum fahren. Wir Fischen mit unseren Schleppangeln, wie immer, haben wieder Lust auf frischen Fisch und mit Manuels selbst produziertem Köder sollte es dann auch bald mal so weit sein. Manuel und Nadja kennen wir von Bonair, dort waren sie noch mit dem eigenen Schiff, Manado, klein, alt, aber fein, jetzt sind sie Crew auf einem kanadischen Kat, der gestern hier ankam. Sie haben ihr Schiff in Curaçao verkauft und reisen jetzt mit der kanadischen Familie durch den Pazifik. Ist sicherer und bequemer, ihre Abenteuerlust ist ungebremst, schön wieder mal Zeit zum Plaudern gehabt zu haben.

 
Am ersten Tag gibt es keinen frischen Fischfang, abends werden die Angeln eingeholt und der Spi gegen die ausgebaumte Genua getauscht. ich will mich gerade niederlegen ruft Robert, da kommt ein Fischer auf uns zu. Also wieder auf und tatsächlich ist der schon zum Greifen nahe, genau auf Kollisionskurs und er macht keine Anstalten auszuweichen oder zu bremsen damit wir vor ihm vorbei können. Da gibt es nur eines, Manöver des letzten Augenblickes, deswegen heißt das auch so, man reißt das Schiff rum, Segel weg, Motor an und erstmal weg von der Gefahrenquelle. Robert versucht am Funk mit dem Schiff Kontakt aufzunehmen, leider versteht man nicht was er uns sagen will, auf jeden Fall hat er Schleppangeln drin und wenn wir jetzt hinter ihm vorbeifahren, müssen wir ausreichend Abstand halten. Macht ihm sicher ganz schön Stress, uns auch, aber nach dem kurzen Adrenalinstoß, dem Ringerl, welches wir gefahren sind, wird wieder Kurs aufgenommen, Motor aus, Segel gesetzt und die Windsteuerung eingekuppelt.
So ein Erlebnis hängt einem noch lange nach, genau deswegen muss man Ausschau halten, zumindest wenn eine Küste in der Nähe ist (wir waren zu diesem Zeitpunkt über 30 nm von der Küste entfernt). Der Kahn hatte kein AIS, da wird man nicht akustisch gewarnt und wenn man nicht ständig mal in die Runde schaut übersieht man die Gefahr leicht.
Die Nacht halten wir besonders gut Ausschau, keine weiteren Vorkommnisse, ein schöner Sternenhimmel, Neumond, also relativ dunkel. Bis in den Morgenstunden haben wir die Strecke am gefährlichen Kap hinter uns, nichts davon gemerkt außer zeitweise eine etwas ruppigere Welle. hier segelt man an der Grenze zwischen 1000 Metern und 200 Metern Tiefe, eine Unterwassersteilwand entlang. Berichtet wird hier vom Kap Effekt, also besonders starker Wind und eben große, gefährliche Wellen, weil sie rasch in flaches Gewässer auflaufen, gebremst werden und auch wieder zurück kommen. Ich denke wir haben es gut erwischt am ersten windschwachen Tag diese Ecke zu nehmen.

Der zweite Tag beginnt wie immer langsam, denn das Schlafdefizit macht sich ein bisschen bemerkbar, der Vormittag ist daher rasch vorbei und erst am Nachmittag wird ein bisschen gearbeitet. Robert kümmert sich um die Kurzwellenverbindung, trägt unsere Position ein, versucht Gribfiles (Wetterdaten) runterzuladen. Ich bring das Schiff wieder in Ordnung, Kühlschrank sauber halten, Trinkwasser nachfüllen, Pflanzen gießen, alles was sich selbstständig gemacht hat wieder verstauen, usw.
Auch unter Tag heißt es Ausschau halten, man kann auch bei Licht und guter Sicht jemanden übersehen. Am AIS ein Tanker, könnte unseren Kurs kreuzen, AIS sagt, dass der kaum Fahrt hat, nur 1,8 Knoten, scheint manövrierunfähig zu treiben, kommt uns nicht in die Quere, würde aber auch nicht ausweichen.

Nebenbei wird immer gesegelt, Ausschau gehalten und gefischt. Der zweite Tag geht in die Geschichte des unglücklichen Fischfangs ein, nicht, weil wir nichts gefangen hätten, sondern weil trotz vieler Bisse nur eine kleine Dorade den Weg bis in die Küche gefunden hat. Zuerst zwei Bisse gleichzeitig, das überfordert ohnehin, jeder nimmt eine Spule und holt mal Angel ein, bei Robert wird es rasch leichter, also abgekommen, so können wir uns zu zweit um den anderen Fisch kümmern. Ein riesen Thuna, so groß und schwer, dass er den Haken von Manuels Köder aufbiegt und uns noch vom Gaff abhaut. Enttäuscht schauen wir dem ultimativ großen Fang nach. So einen großen Fisch, ca. 15 kg hatten wir noch nie, deshalb konnte er uns noch von der Badeplattform entwischen. Ein Blick auf die zweite Angel zeigt, dass auch da ein großer dran gewesen sein muss, Köder abgebissen oder abgerissen. So verliert man binnen einiger Minuten zwei riesen Fische. Zum Glück beißt bald darauf die Doraden an, die keine drei Stunden später schon am Teller ist. Kurz danach noch ein Biss an Manuels neuem Köder und auch der ist samt Fisch im Ozean verschwunden. Eine weitere Dorade springt an der Angel so heftig, dass sie sich losreißen kann. So wird Anglerglück zu Anglerpech.
Die nächste Nacht bringt uns einen Frachter auf Kollisionskurs, Robert funkt mit dem Steuermann und er ändert gerne seinen Kurs um drei Grad und weicht aus. Wir gehen soweit das mit ausgebaumten Segeln möglich ist auf die andere Seite und so kommen wir problemlos aneinander vorbei. Interessant ist nur, dass er kein Radar hat, es nicht benutzt oder es kaputt ist, er hätte uns nicht gesehen, ob er das AIS eingeschaltet gehabt hat, wissen wir nicht, denn wir senden ja kein Signal aus.
Diese Nacht hatte besonders viel Wetterleuchten und auch Sternschnuppen, solang es nicht blitzt und donnert und womöglich regnet und stürmt ist es ein schönes Schauspiel.

Am dritten Tag lässt der Wind kontinuierlich nach, nachmittags haben wir dann mehr Welle als Wind, die Segel beginnen unangenehm zu schlagen. In die Nacht starten wir mit ein wenig Motorunterstützung damit wir das Schiff stabiler in Fahrtrichtung halten können. Funktioniert gut, die Welle wird weniger, der Wind etwas mehr und schon geht es wieder ohne Motor zügig weiter. Es ist wunderschön, wenn man bei so guten Wetterbedingungen seinem Ziel entgegenschaukelt, man braucht nicht viel zu tun, hin und wieder die Windsteuerung nachjustieren, Ausschau halten und einmal am Tag schiften, die Segelstellung verändern, wir können jetzt schon direkt auf unser Ziel, Puerto Lindo zusteuern. Noch haben wir den Wind genau von hinten, wir fahren mit ausgebaumter Genua auf der einen und Großsegel auf der anderen Seite, Butterfly, so wie wir die 16 Tage über den Atlantik gesegelt sind. Wenn die Wetterkarten stimmen, fahren wir nördlich, in einem Bogen an einem Flautegebiet vor der kolumbianischen Küste vorbei und der Wind dreht mit uns Richtung Panama. Leider ist er sehr schwach vorausgesagt, 5-10 Knoten, gerade mal ein Hauch, ein bisschen mehr als nichts, mal sehn ob wir da unter Segel weiter kommen.
Mein erstes E-Book dieser Überfahrt ist ausgelesen und ich beobachte die Fläche bis zum Horizont, unsere scheinbar eintönige Umgebung, bis wir, den letzten halben Tag wieder Land sehen werden. So eintönig ist sie gar nicht, die Wellen sind schön und in ihrer Unterschiedlichkeit faszinierend, hin und wieder fliegen Vögel vorbei, springen fliegende Fische davon, besonders in der Nacht landen sie oft mal an Deck, was leider nur wenige überleben. Einmal haben uns kurz Delphine begleitet und dann sind da noch die Wolken. Besonders in Richtung Land türmen sich bis zum Abend die Massen auf, ein bisschen wie die Skyline von Mannhatten, zuerst weiß, dann werden sie zunehmend zu größeren Flächen und schwarz. Wesentlich seltener bilden sich größere, dunkle Wolkenformationen über dem Meer, das sind dann diese Squalls, die über die große Fläche ziehen und irgendwo abregnen. Man sieht dann die grauen Streifen die von der Wolke ins Meer reichen, dort schüttet es jetzt gerade und man ist froh weit genug weg zu sein. Zwischen den Wolken geht die Sonne unter, ein Farbschauspiel, nicht allzu lange, denn so nahe am Äquator fällt die Sonne schon rasch vom Himmel. Eine halbe Stunde später ist es dunkel, damit sieht man die Wolken nicht mehr so gut, schwarz auf schwarz, bzw. grau in grau, nur indirekt kann man sie erkennen, denn dort wo man keine Sterne sieht, werden sie sein, irgendwie hat sich ein Großteil schon aufgelöst oder ausgeregnet, der Himmel ist wieder fast makellos mit Sternen besetzt. Nur über Kolumbien wieder reichlich Wetterleuchten, und da tauchen die Wolken wieder auf, sie werden fast magisch beleuchtet. Bis in der Früh nehmen Sie kontinuierlich zu und man sieht eine große schwarze Wand, Wetterleuchten wird zu Blitzen und Donner, Entfernung maximal 20 Meilen. Die Front zieht westwärts und wir drauf zu. Im Radar sieht man sie deutlich und wir versuchen Richtung Norden etwas auszuweichen, was für das Gewitter auch gelingt, Wind bis 30 Knoten und Regen bekommen wir aber voll ab. Nach einer Stunde sind wir durch, der Wind lässt wieder nach, die Welle, die sich gleich aufgebaut hat, ebbt ab und der Himmel wird hellgrau. Rund um uns bleiben aber bedrohliche schwarze Wolken, einige davon bekommen wir über den Tag verteilt ab, so heftig wie die erste war zum Glück keine mehr. Der Tag bleibt aber grau-schwarz, so wie zu Hause die verregneten Herbsttage, nur wärmer, kleine Flecken von blauem Himmel zeigen sich da und dort, zusammen so groß wie ein Fußballfeld. Für den Abend hat sich wieder eine Dorade an die Angel gehängt und es klart auf, die Nacht beginnt wieder mit Sternen und Mond, der als schmale Schüssel am Himmel steht. Trotzdem er noch recht klein ist, hat er eine gute Leuchtkraft, zur Zeit nur bis ca. Mitternacht, dann geht er schon wieder unter, irgendwie blöd arrangiert.
Wir starten in den fünften Tag, sind gut unterwegs, im Schnitt um die fünf Knoten, es fehlen noch 207nm bis zum Ziel, wenn wir es bis Samstagabend nicht schaffen müssen wir ohnehin die Nacht auf Sonntag noch am offenen Meer bleiben, denn für die Einfahrt zu unserem Ankerplatz braucht man gute Sicht. Wie schnell eine Woche vergeht, nicht nur in der Arbeit, auch bei den Überfahrten, die einem, bevor man sie startet immer endlos lang vorkommen.
Robert ist noch immer recht angespannt vor und während jeder Überfahrt, er schläft schlecht, womit sich die Müdigkeit auf Körper und Geist wie eine Bleiweste auswirken. Ich finde rasch meinen Rhythmus und genieße die besondere Zeit, für mich ist es ein Geschenk mit dem Schiff zu reisen und diese Stille, Einsamkeit, die Unmittelbarkeit der Natur zu erleben. Ich bin aktiviert und entspannt gleichzeitig, hab Vertrauen in unser Schiff, die Vorbereitung und uns als Mannschaft, Probleme und unangenehme Situationen auch meistern zu können. Und wenn wir wieder ankommen, beginnt erstmal Arbeit mit einklarieren, erstes orientieren, Besorgungen, Wäsche waschen und Schiff in Ordnung bringen. Sollte nicht länger als ein oder zwei Tage dauern und dann wollen wir die San blas Inseln genießen.

Man merkt, dass wir uns dem Festland nähern, jede Früh neue Wolkenberge und wieder Gewitter, auch diesmal schrammen wir relativ knapp dran vorbei. Neben dem Wetterleuchten, welche den Himmel diffus beleuchten schneiden Blitze durch den Himmel und es ist kurz gleißend hell. Dann folgt der Donner, der Abstand zum Blitz verrät die Entfernung und man hört auch deutlich ob das Ganze noch vor oder schon hinter einem ist. Meistens ist es ein langes dumpfes Grollen und wir sind umgeben von mehr oder weniger schwarzen Wolkenmassen. Immer wieder legt der Wind zu, im Zentrum der Front dann fast Windstille und heftiger Regen, manchmal auch Regen mit starkem Wind, immer wieder  bergen wir die Segel, ändern den Kurs, jetzt scheint die gemütliche Strecke vorbei zu sein. Unter Tags beruhigt sich das Wetter wieder, Samstag ist es sogar wieder sonnig und der wenige Wind reicht um mit dem Spi voran zu kommen, sogar in der Nacht schieben wir uns mit ca. drei Knoten dahin, immerhin müssen wir nicht motoren. Sonntag früh ist es dann endgültig vorbei mit dem günstigen Wetter, zuerst gar kein Wind, dann wechselnd, je nach Regenfront, selten für länger genug um zu segeln. Alles ist grau und Panama zeigt sich als hellgrauer Streifen.
Nachdem wir jetzt am Sonntag ankommen wollen, bemühen wir doch für einige Stunden den Motor, einige Versuche zu Segeln müssen mangels Wind abgebrochen werden, das nervt.

Wie immer ziehen sich die letzten Stunden, das Land ist schon deutlich zu sehen und trotzdem braucht man noch einen halben Tag oder mehr. ich nutze die Zeit und bring das Schiff schon mal in Ordnung, nach einer Woche Schlafstätte im Salon, kochen, wenig lüften, ist alles klebrig und muffig, ein Sack Schmutzwäsche ist schnell beisammen, die Mistsäcke sind auch bereit beim ersten Landgang entsorgt zu werden.

 

Gnädigerweise erreichen wir die Lintonbay mit guter Sicht, ohne Regen, sogar ein paar Sonnenstrahlen beleuchten die üppig grüne Insel. Über dem Land dampft die Luft, hier hat es 100 Prozent Luftfeuchtigkeit und so wie es ausschaut braucht Regenwald Regen , kaum geankert schüttet es, dass man die Nachbarschiffe kaum sieht. Wegen dem Wetter muss man nicht her kommen, unser erster Eindruck, da sind wir von den trockenen, dornigen ABC Inseln verwöhnt. Hoffentlich wird es besser damit wir die Insel genießen können.